Die Experimente einer niederländischen Forschergruppe mit Vogelgrippe-Viren waren umstritten: Die Forscher hatten H5N1-Viren künstlich manipuliert und Frettchen infiziert. Der Erreger verbreitete sich anschließend ohne direkten Kontakt über die Luft. Seit Bekanntwerden dieser Experimente, der sogenannten Frettchenstudien war es zu einer intensiven Auseinandersetzung über Risiken und Nutzen solcher Experimente gekommen. Experten befürchteten, eine missbräuchliche Freisetzung eines für den Menschen möglicherweise sehr gefährlichen Krankheitserregers. Daraufhin hatten sich Virologen selbst ein Moratorium auferlegt: in 2012 wurden Experimente mit Vogelgrippe-Viren ausgesetzt. Inzwischen wurde das Moratorium wieder aufgehoben. Seit Januar 2013 dürfen Virologen wieder mit Vogelgrippe-Erregern forschen – allerdings nur in Hochsicherheitslaboren, wenn sich dabei eine Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch entwickeln könnte.
Aviäre Vogelgrippe-Viren: Gleiche Sicherheitsstufe wie Pocken-Viren
Bei den Versuchen mit Vogelgrippe-Viren müssen jedoch besondere Vorsichtsmaßnahmen herrschen. Die deutsche Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS) hatte deshalb das Risiko der genetisch flexiblen Viren neu bewertet und ihre Ergebnisse jetzt veröffentlicht: Danach dürfen Experimente mit hochgefährlichen Influenza-A-Viren der Subtypen H5 und H7, bei denen Virologen die Luftübertragbarkeit zwischen Säugetieren testen, zukünftig nicht mehr in Laboratorien der Sicherheitsstufe 3, sondern nur in solchen der Sicherheitsstufe 4 durchgeführt werden. Das heißt, bei diesen Versuchen gelten dieselben Bedingungen, die auch für Arbeiten mit hochgefährlichen Ebola-, Lassa- und Pocken-Viren gelten. Weltweit gibt es 15 Laboratorien der Sicherheitsstufe 4. Die sogenannten BSL4-Laboratorien sind gegen die Außenwelt abgeschottet und die Mitarbeiter tragen eine Art Raumanzug. In Deutschland befinden sich diese Hochsicherheitslabore in Marburg und Hamburg.
Das Vogelgrippevirus führte seit 1997 bislang bei weltweit etwas mehr als 600 Menschen zu Erkrankungen. Etwa 60 Prozent der Erkrankten starben. Trotz der geringen Erkrankungszahlen halten Virologen das Vogelgrippevirus für potenziell hoch gefährlich.
Virologen sehen im H5N1-Virus einen Hauptkandidaten für eine Pandemie
„Dass das Virus bislang nicht zu einer Pandemie führte, beruht in erster Linie darauf, dass es im Gegensatz zu menschlichen Influenzaviren nicht über die Luft von Mensch zu Mensch übertragen wird“, erklärt Professor Dr. med. Thomas Mertens, Präsident der Gesellschaft für Virologie (GfV). In ganz vereinzelten Fällen trat möglicherweise aber doch eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung auf. „Wir sehen das H5N1-Virus daher als Hauptkandidaten einer möglichen künftigen Pandemie“, so Mertens. Umso wichtiger sei es, die Studien in Tiermodellen fortzusetzen. Sie hatten bereits in der Vergangenheit entscheidende Erkenntnisse gebracht, etwa welche Mutationen im Genom der Viren den gefährlichen Wirtswechsel ermöglichen.
Die GfV begrüßt die verschärfte Sicherheit, unter der die Forschungsarbeiten nach Ende des einjährigen Versuchsstopps wieder aufgenommen werden können. Erlaubt sind nun wieder auch jene umstrittenen Experimente, bei denen Forscher die Übertragbarkeit der aviären Influenza-A-Viren über die Luft zwischen Säugetieren steigern. „Das gilt nicht nur für gezielt in das Virusgenom eingeführte Mutationen“, so Professor Dr. Stephan Becker, Leiter des Instituts für Virologie an der Universität Marburg, „sondern auch für genetische Veränderungen, die durch natürlichen Druck der Umwelt zustande kommen und die Luftübertragbarkeit verbessern. Genau das kann passieren, wenn Forscher Viren in geeigneten Tiermodellen vermehren“, so der Virologe. Diese Versuche seien äußerst wichtig, betont Becker. Denn so prüften Virologen, ob das H5N1-Virus die Fähigkeit erworben hat, sich von Mensch zu Mensch auszubreiten. Die Übertragung von Mensch zu Mensch gilt als der entscheidende Faktor für die Auslösung einer Pandemie.
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