
Neue SARS-CoV-2-Variante in Europa: nicht gefährlicher als andere Varianten – Foto: ©ipopba - stock.adobe.com
Wissenschaftler aus Basel und Spanien haben eine neue SARS-CoV-2-Variante identifiziert, die sich in den letzten Monaten in ganz Europa verbreitet hat. Die neu entdeckte Variante mit der Bezeichnung 20A.EU1 soll ihren Ursprung in Spanien genommen haben. Hinweise, dass sie gefährlicher als andere Virusvarianten sei, gebe es aber nicht, schreiben die Forscher in einem Pre-Print, also in einer noch nicht begutachteten Studie.
Super-Spreader-Ereignis in Spanien war Ausgangspunkt
Virusvarianten unterscheiden sich durch kleine Mutationen in ihrem Erbgut voneinander. Nur wenige SARS-CoV-2-Varianten haben sich den Forschern zufolge derartig erfolgreich verbreitet und sind so prävalent geworden wie die neue mit der Bezeichnung 20A.EU1.
Für die Studie analysierten und verglichen die Forscher Virusgenomsequenzen von Covid-19-Patienten aus ganz Europa. Demnach trat 20A.EU1 erstmals im Sommer in Spanien auf, und zwar bei einem Super-Spreader-Ereignis unter Landarbeitern im Nordosten des Landes. Anschließend gelangte die Virusvariante in die lokale Bevölkerung, verbreitete sich rasch über das ganze Land und macht heute fast 80 Prozent der Virus-Sequenzen in Spanien aus.
Nicht infektiöser, nicht gefährlicher
„Es ist wichtig festzuhalten, dass es derzeit keinen Hinweis darauf gibt, dass die Verbreitung der neuen Variante auf einer Mutation beruht, die die Übertragung erhöht oder den Krankheitsverlauf beeinflusst“, betont Dr. Emma Hodcroft von der Universität Basel, Hauptautorin der Studie. Die Forschenden vermuten, dass die Ausbreitung der Variante durch die Lockerung von Reisebeschränkungen und Social-Distancing-Massnahmen im Sommer erleichtert wurde.
In Großbritannien ist 20A.EU1 inzwischen sogar noch verbreiteter als in Spanien: 90 Prozent aller Corona-Infektionen erfolgen mit dieser Variante, in Irland sind es 60 Prozent, in der Schweiz und den Niederlanden zwischen 30 und 40 Prozent. Damit ist 20A.EU1 momentan eine der am weitesten verbreiteten SARS-CoV-2-Varianten in Europa. Auch in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Lettland, Norwegen und Schweden wurde sie nachgewiesen.
Genetische Analysen weisen darauf hin, dass die Variante mindestens Dutzende und möglicherweise Hunderte von Reisen zwischen europäischen Ländern unternommen hat. «Wir können sehen, dass das Virus in mehreren Ländern mehrfach eingeschleppt wurde, und viele dieser eingeschleppten 20A.EU1-Viren haben sich dann in der Bevölkerung verbreitet», sagt Prof. Dr. Tanja Stadler von der ETH Zürich, eine der leitenden Forscherinnen der Studie.
Verbreitung stellt die verhängten Reisebeschränkungen in Frage
Waren die Reisebeschränkungen also unwirksam? Die rasche Verbreitung lässt darauf schließen. England hatte zum Beispiel Reisen nach Spanien eine Zeitlang verboten. Nach Ansicht der Studienautoren sollten die Länder jetzt ihre Maßnahmen evaluieren. Langfristige Grenzschließungen und strenge Reisebeschränkungen seien weder durchführbar noch wünschenswert, aber anhand der Ausbreitung von 20A.EU1 scheint klar zu sein, dass die getroffenen Maßnahmen oft nicht ausreichten, um die Weiterverbreitung der neuen Variante zu stoppen. „Nachdem die Länder hart daran gearbeitet haben, die Zahl der SARS-CoV-2-Infektionen auf ein niedriges Niveau zu senken, müssen sie bessere Wege finden sich zu ‚öffnen‘, ohne einen Anstieg der Fälle zu riskieren“, sagt Dr. Emma Hodcroft
Die neue Variante sei aber nicht als Ursache für den Anstieg der Fälle im Herbst zu interpretieren, da noch andere Varianten in den letzten Wochen und Monaten im Umlauf waren. Tatsächlich dominieren in einigen Ländern mit einem signifikanten Anstieg der Covid-19-Fälle andere Varianten des Coronavirus SARS-CoV-2.
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