Neue Leitlinie bei Schlaganfall: Katheter erhöht Heilungschancen
Bisher sahen die Leitlinien bei schweren Schlaganfällen nur eine Behandlung mit Medikamenten vor, die sogenannte Thrombolyse, auch Lysetherapie genannt. In diesen Fällen, wenn also die großen Schlagadern im vorderen Hirnkreislauf getroffen wurden, versagte die Therapie allerdings häufig. Eine in der Fachzeitschrift Lancet publizierte Meta-Analyse gab den Anstoß, die Leitlinien zu überarbeiten. Die Meta-Analyse wertete die Ergebnisse von fünf Studien aus. Es zeigte sich, dass die neue Therapie mit einem Katheter schwere Behinderungen wie Sprachverlust oder Lähmungen nach einem Hirnschlag erheblich verringert.
Katheter zieht Blutpropfen heraus
„Diese Behandlungsmethode, auch mechanische Thrombektomie genannt, wurde in den letzten Jahren so weit verfeinert, dass fast 90 Prozent der Gefäße wieder eröffnet werden können", erklärt Professor Dr. Hans-Christoph Diener, Direktor der Klinik für Neurologie am Uniklinikum Essen und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Bei der Operation ziehen spezialisierte Fachärzte einen Spezial-Katheter mit einem Stent an die Stelle des Gefäßverschlusses. Der Katheter zerschneidet das Gerinnsel. Der Stent, ein Röhrchen aus Draht, umschließt den Blutpfropf, der dann vorsichtig abgesaugt wird. So können jetzt zwei Methoden helfen - die bewährte Thrombolyse und die mechanische Methode mittels Katheter.
Thrombektomie nicht für alle Schlaganfallpatienten geeignet
Zurzeit ist die Behandlung mit dem Stent-Katheter aber nur in einigen deutschen Kliniken möglich. Die Ärzte in den Schlaganfallzentren – den Stroke Units – müssen schnell entscheiden, ob ein Patient für die neue Therapie infrage kommt. Und ob die Zeit noch reicht, ihn in eine geeignete Klinik zu transportieren. Ein Eingriff ist nicht ungefährlich, weil zum Beispiel Gefäße verletzt werden können und Blut in das Hirngewebe einsickern kann. Leichte Lähmungen würden die schwierige Operation mit dem Katheter nicht rechtfertigen. Die Thrombektomie ist daher nur für etwa fünf Prozent der Schlaganfallpatienten das Mittel der Wahl. Die zusätzliche Fahrzeit in eine Spezialklinik schadet den Patienten aber offenbar nicht. Das bewies kürzlich eine Studie des neurovaskulären Rhein-Ruhr Netzwerks. „Die Überlebensrate der Patienten, die aus anderen Kliniken überwiesen wurden, war vergleichbar mit jenen, die in den Zentren direkt behandelt wurden", sagt Professor Dr. Christoph Groden, Leiter der Abteilung für Neuroradiologie des Universitätsklinikums Mannheim. Zu dem Netzwerk gehörten zum Zeitpunkt der Studie 17 Stroke Units im Ruhrgebiet, von denen acht Tag und Nacht eine Katheterbehandlung anbieten. Christoph Groden fordert daher einen weiteren Ausbau solcher neurovaskulären Netzwerke für ganz Deutschland.
Experten sprechen von einem ischämischen Schlaganfall, wenn ein Blutgerinnsel ein Gefäß verstopft. Die Folge: Ein Teil des Gehirns wird nicht mehr mit Blut versorgt. Je länger die Unterversorgung dauert, desto mehr Gehirnzellen sterben ab. Pro Minute verliert das Gehirn zwei Millionen Nervenzellen. Je schneller behandelt wird, desto größer die Chancen, möglichst viel des Gehirns zu retten. In Deutschland erleiden ca. 270.000 Menschen jährlich einen ischämischen Schlaganfall. Jeder dritte bleibt dauerhaft behindert.
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