Neue Gen-Hypothese zur Multiplen Sklerose
Die Multiple Skelrose (MS) wird allgemein als Autoimmunerkrankung verstanden. Trotz intensiver Forschung in den vergangenen Jahren ist nur wenig über die Entstehungsmechanismen der MS bekannt. Diskutiert werden Umweltfaktoren, vor allem virale Infektionen, ebenso wie der Vitamin-D-Spiegel im Blut und die Sonneneinstrahlung. Ausserdem beeinflussen genetische Varianten das Krankheitsgeschehen.
Genetische Ursachen für Multiple Sklerose
Eine im Juli 2012 publizierte Studie in der Fachzeitschrift "Nature" mit deutscher Beteiligung wirft neues Licht auf die genetischen Ursachen der Multiplen Sklerose. Demnach weisen MS-Patienten einen veränderten TNF-Rezeptor-1 auf, der nun als Schlüsselprotein im Krankheitsgeschehen in Frage kommt. "Diese Rezeptorvariante ist spezifisch für MS-Patienten und darum Ansatzpunkt für die Entwicklung verbesserter Therapien", erklärt Professor Ralf Gold, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und Direktor der Neurologischen Klinik an der Ruhr-Universität Bochum. Er ist mit seinem Team an dieser Studie beteiligt, die vom Immunologen Lars Fugger an der Universität Oxford initiiert wurde.
Erklärung für die Autoimmunreaktionen bei Multipler Sklerose?
Für ihre Untersuchung machten sich die Wissenschaftler so genannte Genomweite Assoziationsstudien (GWAS) zu Nutze, die wichtig für das Verständnis der Krankheit und für die therapeutische Forschung sind. GWAS werden durchgeführt um Genvarianten, die Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP, single nucleotide polymorphism), nachzuweisen. Durch die aktuelle GWAS bei MS konnten die Wissenschaftler nun einen neuen genetischen Zusammenhang entdecken: Demnach ist ein ganz bestimmter SNP, der zu einer TNF-Rezeptor-1-Variante führt, mit Multipler Sklerose assoziiert, jedoch nicht mit anderen Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoide Arthritis, Psoriasis oder Morbus Crohn. Die Wissenschaftler entdeckten bei MS-Patienten einen Austausch in einem Gensegment des TNF-R1. Ihre Hypothese lautet nun: TNF-R1 wird dadurch löslich und bindet den im Gehirn aktiven Tumornekrosefaktor-Alpha (TNF-Alpha), der als eines der wichtigsten Zytokine lokale und systemisch Entzündungsreaktionen steuert. Dieses "Antagonisieren" des TNF-Alpha könnte die Autoimmunreaktionen bei der Multiplen Sklerose erklären.
Wie die DGN berichtet decken sich die neuen Studiendaten mit Befunden aus den DNS-Banken von MS-Patienten, die in der Neurologischen Klinik am St. Josef-Hospital der Ruhr-Universität Bochum behandelt wurden "Im klinischen Alltag stellen wir fest, dass Medikamente, die TNF-Alpha antagonisieren, nur bei der Multiplen Sklerose, aber nicht bei anderen Autoimmunerkrankungen zu einer Verschlechterung des Krankheitsverlaufes führen", berichtet Professor Gold. "Dagegen ist diese Antagonisierung bei anderen autoimmunen Erkrankungen, wie starkes Rheuma, ein wesentlicher Stützpfeiler der Therapie." Diese Erkenntnisse zeigten, dass das Zytokin TNF möglicherweise ein sinnvoller Ansatzpunkt in der MS-Therapie sei. Die Ergebnisse weiterer GWAS könnten die Bedeutung von TNF zusätzlich hervorheben.
Weltweit leben 2,5 Millionen Menschen mit Multipler Sklerose
Rund 130 000 Menschen leben nach Schätzungen allein in Deutschland mit einer Multiplen Sklerose (MS), weltweit sind es 2,5 Millionen. Frauen sind zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Männer. Die Erkrankung beginnt oft im jungen Erwachsenenalter, der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 20. und dem 45. Lebensjahr.
Foto: Sanofi