Neue Erkenntnisse zu Schilddrüsenunterfunktion in der Schwangerschaft

Schwangere mit TSH zwischen 2,5 und 4,0 mU/l müssen keine Schilddrüsenhormone einnehmen, sofern die Schilddrüse gesund ist, sagen neue Studien
Eine Schwangerschaft ist ein „Stresstest“ für die Schilddrüse. Die Produktion des Schilddrüsenhormons Thyroxin (TSH) steigt um etwa 50 Prozent, der Jodbedarf wächst, das Schilddrüsenvolumen nimmt zu. Schwangere laufen daher Gefahr, Schilddrüsenfunktionsstörungen zu entwickeln.
Besonders häufig können Schilddrüsenunterfunktionen auftreten, sogenannte Hypothyreosen, die auch durch die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis verursacht werden kann. Da eine Schilddrüsenunterfunktion zu schweren geistigen und körperlichen Schäden des Fötus und zu Schwangerschaftskomplikationen wie Fehl- oder Frühgeburten führen kann, müssen die werdenden Mütter Schilddrüsenhormone einnehmen. Das Mittel der Wahl ist Levothyroxin.
Leichte Unterfunktion schwer von Hashimoto-Thyreoiditis abgrenzbar
Ab welchem TSH-Wert die Behandlung eingeleitet werden muss, war bislang jedoch nicht so eindeutig. Denn die Unterscheidung zwischen einer Hashimoto-Thyreoiditis im frühen Stadium und einer normalen Schilddrüse mit einem TSH-Wert im oberen Normbereich ist nicht immer ganz einfach.
Bislang werden TSH-Werte zwischen 2,5 und 4,0 Milli-Einheiten pro Liter (mU/l) bei Schwangeren als eine leichte Unterfunktion der mütterlichen Schilddrüse interpretiert.
Aus Angst vor einer möglichen Intelligenzminderung des ungeborenen Kindes werden die betroffen Frauen dann sehr frühzeitig mit Schilddrüsenhormon-Tabletten behandelt.
Studien sorgen für Klarheit
Diese Sorge ist unberechtigt, stellt der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN) jetzt anhand aktueller Studien fest. „TSH-Werte in diesem Bereich haben weder einen negativen Einfluss auf den Verlauf der Schwangerschaft noch auf die geistige Entwicklung des Kindes“, sagt BDN-Experte Professor Dr. med. Matthias Schmidt, Nuklearmediziner der Universität Köln. „Schilddrüsenhormon-Tabletten sind nicht nötig, sofern die Schilddrüse gesund ist.“
TSH-Wert im oberen Normbereich nicht behandlungsbedürftig
Neue große internationale Studien zeigen, dass bei gesunden Schwangeren mit TSH-Werten von 2,5 bis 4,0 mU/l weder Fehlgeburten noch kindliche Fehlbildungen zunehmen oder Einbußen bei den kognitiven Fähigkeiten des Ungeborenen zu befürchten sind.
„Bei solchen Werten ist eine Therapie mit Levothyroxin also nicht erforderlich, sofern die Schilddrüse der Mutter gesund ist“, betont Professor Karin Frank-Raue von der Endokrinologisch-Nuklearmedizinischen Gemeinschaftspraxis in Heidelberg. Dies gelte in gleicher Weise für künstliche Befruchtungen. „Diese Erkenntnis ist eine wichtige Entwarnung und dürfte für Erleichterung bei Schwangeren sorgen“, betont die Schilddrüsenspezialistin. „Sie müssen nicht fürchten, dass ihr Kind bei im oberen Normbereich liegenden TSH-Werten geistige Einbußen erleiden könnte.“
Damit vollziehe sich ein Umdenken in der Medizin, das bei werdenden Eltern für Erleichterung sorgen dürfte.
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