
Neue Studie: Pathologisch hohe Tau-Werte beeinträchtigen die Gedächtnisfunktion nur dann, wenn auch das Amyloid stark erhöht ist – Foto: © Adobe Stock/ Artur
Die Eiweißstoffe „Amyloid“ und „Tau“ sind seit langem als Faktoren für die Alzheimer Erkrankung bekannt. Beide verklumpen sich im Gehirn und sind Teil der sogenannten Alzheimer-Plaques. Uneins sind sich Wissenschaftler jedoch, welches der beiden Proteine das gefährlichere ist.
Zweifel am Amyloid-Ansatz
Ablagerungen von Tau-Proteinen im Hippokampus und in benachbarten Hirnbereichen sind nachweislich mit Beeinträchtigungen des Erinnerungsvermögens verbunden. Beim Amyloid hat man hingegen bislang keinen eindeutigen Zusammenhang zur Gedächtnisleistung gefunden. In der Wissenschaft wird darum diskutiert, ob es überhaupt Sinn macht, das Amyloid therapeutisch anzugehen. Skeptiker sehen sich durch die kürzlich gescheiterte EU-Zulassung des Alzheimer-Medikaments Aducanumab bestätigt. Der Antikörper bringt zwar die Amyloid-Plaques zum Verschwinden, doch ohne nennenswerten klinischen Vorteil für die Patienten.
Neue Arbeit zeigt Zusammenspiel von Tau und Amyloid
Nun zeigt eine Arbeit des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), dass der Amyloid-Ansatz in den frühen Stadien der Erkrankung für die Gedächtnisfunktion doch hilfreich sein könnte. Denn offenbar entfalten Tau-Ablagerungen nur dann ihre fatale Wirkung auf die Gedächtnisfunktionen, wenn gleichzeitig auch die Amyloid-Last hoch ist.
„Der entscheidende Aspekt ist, dass man das Tau nicht allein betrachtet, sondern gemeinsam mit der Amyloid-Pathologie. Hier wird eine Verknüpfung deutlich, wenn man eine größere Anzahl an Personen untersucht“, Hirnforscher Emrah Düzel, Sprecher des DZNE-Standorts Magdeburg.
Untersuchungen im Frühstadium
Die jetzt ausgewerteten Daten stammen aus der Langzeitstudie DELCODE, für die Befunde von 235 Personen im Alter über 60 Jahre ausgewertet wurden, die noch nicht an Demenz litten. Die Gruppe umfasste neben kognitiv unauffälligen Erwachsenen, auch solche mit Gedächtnisproblemen, die entweder leichter Ausprägung waren oder nur subjektiv empfunden wurden – das heißt: Gängige Testverfahren konnten die Gedächtnisprobleme nicht nachweisen. Das Team um Düzel analysierte das „Nervenwasser“ der Probanden auf Amyloid- und Tau-Proteine und untersuchte deren Gedächtnis und Hirnaktivität mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT).
Für die Untersuchung des Gedächtnisses mittels fMRT wurden die Probanden aufgefordert, sich fotografische Abbildungen zu merken, während gleichzeitig die Hirnaktivität im Hippokampus erfasst wurde. Dabei stellten die Forschenden fest, dass die Aktivierung des Hippokampus bei neuen Bildern mit steigender Tau-Last zurückging, und damit auch die Gedächtnisleistung, allerdings nur wenn gleichzeitig die Amyloid-Belastung hoch war. „Eine hohe Belastung durch beide Proteine war die wahrscheinliche Ursache für eine beeinträchtigte Gedächtnisleistung“, ordnet Hirnforscher Düzel die Ergebnisse ein. Diesen Zusammenhang hat man in bisherigen Untersuchungen nicht nachweisen können.
Wofür die Studienergebnisse sprechen
„Unsere Daten zeigen, dass es sinnvoll sein könnte, die Tau-Last zu senken, wenn gleichzeitig die Amyloid-Last hoch ist. Unsere Befunde sprechen aber auch dafür, dass es helfen könnte, die Amyloid-Last im frühen Krankheitsstadium zu reduzieren beziehungsweise niedrig zu halten, auch wenn die Tau-Last gleich bleibt. Man kann aus unseren Ergebnissen ableiten, dass das Gedächtnis davon profitieren könnte.“ Die Autoren halten darum fest, dass die Studienergebnisse das Konzept stützen, das Amyloid im Gehirn einzudämmen. Neben dem Wirkstoff Aducanumab sind derzeit mehrere „monoklonaler Antikörper in der Pipeline, die den Anti-Amyloid Ansatz verfolgen. Aber auch kleine Moleküle gegen das Tau-Protein sind in Entwicklung. Die meisten Experten gehen davon aus, dass Therapiekombinationen am erfolgversprechendsten sein werden.