
Der Migräne zuvorkommen: Antikörper gegen CGRP zeigen diesen Effekt bei nahezu jedem zweiten Patienten
Migräne hat viele Ursachen, aber wie genau eine Migräne-Attacke entsteht, weiß man bis heute nicht genau. Was man weiß ist, dass das Neuropeptid CGRP ursächlich am Schmerzgeschehen beteiligt ist und auch für die Aufrechterhaltung und Chronifizierung der neurologischen Erkrankung sorgt. Untersuchungen haben ergeben, dass Migräne-Patienten deutlich höhere CGRP-Spiegel aufweisen als Gesunde. Spritzt man das Neuropeptid, löst es bei ihnen unmittelbar eine Migräne-Attacke aus. Gesunde reagieren dagegen mit „normalen“ Kopfschmerzen. Forscher vermuten daher, dass bei Migräne-Patienten eine Überempfindlichkeit gegen CGRP vorliegt. Dem Neuropeptid werden im Migräne-Geschehen viele Funktionen zugeschrieben. Es soll einmal den Schmerz vor allem im Trigeminusnerv auslösen als auch die Blutgefäße weitstellen und an Entzündungsprozessen beteiligt sein.
CGRP ist Angriffspunkt für neue Therapien
Für Forscher ist CGRP ein exzellenter Ansatzpunkt, um neue Behandlungsoptionen gegen Migräne zu entwickeln. Eine erste neue Medikamentenklasse, die sogenannten Gepante, kamen aufgrund ihrer toxischen Nebenwirkungen nie auf den Markt.
Nun sollen es monoklonale Antikörper richten. Vier große Pharmafirmen haben die neuen Medikamente gegen CGRP ins Rennen geschickt, die meisten Studien befinden sich schon in Phase-III, der letzten Stufte vor der Zulassung. Bei einigen Patienten verringerte sich durch die prophylaktische Gabe die Zahl der Migränetage um 50 bis 70 Prozent. Dies war bei rund der Hälfte der Patienten mit episodischer Migräne der Fall. Ähnliche Ergebnisse wurden auch bei Patienten mit chronischer Migräne erzielt. Umgekehrt bedeutet das aber auch: Etwa die Hälfte profitiert gar nicht oder nur in geringem Maß von den neuen Antikörpern.
Langzeitfolgen? Unbekannt
In den Studien erwiesen sich die getesteten Antikörper auch als sehr gut verträglich. Viele Ärzte einschließlich der Deutschen Gesellschaft für Neurologie hatten hier große Bedenken. Doch die Blutwerte der Patienten waren nicht schlechter als in der Placebogruppen. Allerdings fehlen nach wie vor Aussagen zu Langzeiteffekten. Denkbar sind zum Beispiel Interaktionen auf die Durchblutung von Herz und Gehirn oder immunlogische Reaktionen. Unklar ist zum Beispiel, was passiert, wenn im Rahmen einer Hirnhautentzündung der Antikörper die Blut-Hirn-Schranke durchwandert.
Experten der Schmerzklinik Kiel halten die monoklonale Antikörper indes für eine große Chance. Einige Patienten würden enorm profitieren, heißt es in einer Stellungnahme. Jedoch variiere die Bedeutung von Patient zu Patient, so dass manche gar nichts davon hätten. Dies sei aber bei einer komplexen Erkrankung wie Migräne wenig überraschend. „Eine Behandlung, die die Migräne durch eine Spritze abstellt und man dann leben kann wie man möchte, ist auch mit monoklonalen Antikörpern nicht zu erwarten“, so die Schmerzspezialisten aus Kiel.
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