Nervenschmerzen können auf die andere Körperseite wandern

Wahrnehmungsstörungen nach Nervenverletzung betroffen oft auch die spiegelverkehrte Seite – Foto: © Adobe Stock/ astrosystem
Nervenverletzungen ziehen oft ein langes Leiden nach sich: Etwa Lähmungserscheinungen, Taubheitsgefühle oder Schmerzen. Dass die Wahrnehmungsstörungen nicht nur in dem betroffenen Körperareal zum Beispiel an der Hand auftreten, sondern häufig auch spiegelbildlich in der gegenseitigen Körperregion, hat nun ein internationales Forschungsteam gezeigt.
Nervenschmerzen bei Gürtelrose oft spiegelverkehrt
„Bei Patienten mit einer Gürtelrose ist bekannt, dass Wahrnehmungsstörungen nicht nur im betroffenen Areal, sondern auch auf der spiegelbildlichen Gegenseite des Körpers auftreten können", erläutert Erstautorin Prof. Dr. Elena Enax-Krumova von der Neurologischen Klinik Bergmannsheil. Das Forscherteam, wollte darum herausfinden, inwiefern sich solche spiegelbildlichen Veränderungen auch bei einseitigen Nervenverletzungen zeigen und durch welche Faktoren sie bedingt sein können. Die Studienergebnisse wurden kürzlich Fachjournal „Neurology“ publiziert.
„Die Ergebnisse dieser Untersuchung legen nahe, dass sich die Mechanismen einer Wahrnehmungsstörung nach einer einseitigen Nervenverletzung sowohl bei schmerzhaften als auch bei schmerzlosen Nervenverletzungen auf die Gegenseite des menschlichen Körpers auszubreiten scheinen“, resümiert Neurologin Enax-Krumova.
Studie mit über 400 Patienten
Für die Studie werteten die Forscher Datensätze von insgesamt 424 Patienten aus. Die Probanden litten unter einer einseitigen schmerzhaften oder einer schmerzlosen peripheren Nervenerkrankung (Neuropathie), ausgelöst entweder durch eine periphere Nervenverletzung, eine Nervenwurzelverletzung oder eine Gürtelrose. Bei allen Patienten wurde die jeweils nicht betroffene Körperseite hinsichtlich möglicher Wahrnehmungsveränderungen untersucht. Nach einem standardisierten Verfahren wurde die Schmerzwahrnehmung sowie Berührungswahrnehmung auf Kälte, Wärme, spitze und stumpfe Reize mittels der sogenannten quantitativ sensorischen Testung (QST) überprüft.
Tatsächlich zeigte sich, dass bei einem Teil der Patienten spiegelbildliche Wahrnehmungsstörungen auch auf der nicht betroffenen Körperseite auftraten, unabhängig davon ob sie von einer schmerzhaften oder schmerzlosen einseitigen Neuropathie betroffen waren. Dabei war die Wahrnehmung für Temperatur und leichte Berührung auf der spiegelverkehrten Seite vermindert. Die Studienautoren deuten das als Hinweis auf eine möglicherweise ungünstige (maladaptive) zentralnervöse Reaktion.
Zentrale Sensibilisierung
Bei Patienten mit überhöhter Schmerzempfindlichkeit auf der betroffenen Körperseite wurde gleichzeitig eine spiegelbildliche Überempfindlichkeit gegenüber spitzen Reizen festgestellt. Dies könne, so das Forschungsteam, als Zeichen einer Überempfindlichkeit des zentralen Nervensystems gedeutet werden (zentrale Sensibilisierung). „
Die von Hirnstammarealen stammende absteigende Verstärkung der Schmerzverarbeitung im Rückenmark scheint einen wichtigen Mechanismus der Schmerzchronifizierung darzustellen“, so Enax-Krumova.
Patienten mit Anzeichen einer zentralen Sensibilisierung auf der nicht-betroffenen Gegenseite stellten demnach eine Untergruppe dar, die sowohl hinsichtlich der genauen zugrundeliegenden Mechanismen als auch hinsichtlich ihres Ansprechens auf konkrete Therapiemaßnahmen weiter untersucht werden müsse.