Wenn eine Narkose nicht tief genug ist, um Wahrnehmungen zu verhindern, kann dies ein traumatisches Erlebnis für Patienten sein. Durch die Lähmung der Muskeln mit Relaxanzien, die meistens zu einer Vollnarkose gehört, kann sich der Patient nicht bemerkbar machen. Als besonders schlimm empfinden die Betroffenen die Hilflosigkeit, die sich bis zur Panik und Todesangst steigern kann. Manche Schätzungen gehen davon aus, dass einer von hundert Patienten bei einer Operation nicht tief genug schläft oder vorzeitig aufwacht. In anderen Berichten wird davon ausgegangen, dass dies bei ein bis zwei von tausend Fällen vorkommt.
Anästesie bei Kindern
Besonders gefährdet sind Kinder. Sie wachen aus einer Narkose acht- bis zehnmal so häufig auf wie Erwachsene. Auch die regelmässige Einnahme von Schmerzmitteln, Opiaten oder Drogen kann dazu führen, dass eine Narkose nicht richtig wirkt, da die Schwelle zur Bewusstseinstrübung erhöht sein kann. Betroffene berichten häufig davon, Geräusche und Stimmen wahrgenommen und Ängste oder Schmerzen empfunden zu haben. Ärzte und Krankenschwestern sollten solche Berichte unbedingt ernst nehmen, da die Erlebnisse eine posttraumatische Belastungsstörung nach sich ziehen können. Etwa ein Drittel der Wachpatienten scheinen davon betroffen zu sein. Frühzeitig erkannt, kann man dieser Entwicklung entgegenwirken.
Zu einer Narkose gehören in der Regel die Ausschaltung des Bewusstseins und des Schmerzempfindens und eine Dämpfung des vegetativen Systems, damit beispielsweise nicht plötzlich der Blutdruck in die Höhe schnellt. Eine weitere Säule der Narkose ist die Muskelentspannung, damit der Chirurg nicht durch Bewegungen des Patienten beim Schneiden gestört wird. Letztere stellt das grösste Problem beim vorzeitigen Erwachen dar, da der Patient aufgrund der Lähmung weder sprechen noch sich bewegen kann und somit das Operationsteam nicht darauf aufmerksam machen kann, dass er wach ist. Es wird daher kontrovers diskutiert, ob eine Muskellähmung in vielen Fällen nicht auch verzichtbar ist.
Neue Methode zur Überwachung der Narkose
Möglicherweise kann auch die Überwachung der elektrischen Muskelaktivität der Schlund- und Rachenmuskeln helfen, ein vorzeitiges Erwachen aus der Narkose zu verhindern. Ein Elektromyogramm (EMG) kann anhand der Aktivitäten von Mund- und Rachenmuskeln, welche mit den Hirnnerven verbunden sind, die Aktivität des Gehirns messen. Wie die Neurochirurgen Christian Strauss und Julian Prell von der Universitätsklinik Halle im Journal of Neurosurgical Anesthesioloy berichteten, kann ein EMG früher als andere Verfahren anzeigen, dass eine Narkose nicht mehr tief genug ist.
Üblicherweise wird die die Narkosetiefe mit Hilfe von Pulsschlag, Blutdruck oder auch dem Messen der Hirnströme überwacht. Doch nicht immer lassen diese Verfahren zweifelsfrei erkennen, ob der Patient wach ist. Die Neurochirurgen aus Halle hatten festgestellt, dass ein Elektromyogramm regelmässig vor dem Aufwachen eines Patienten charakteristische Muster aufwies. Bei ihrer kleinen Studie mit 23 Patienten fanden sie heraus, dass dieses Verfahren durchschnittlich vier Minuten früher als andere Methoden anzeigt, dass ein Patient aufzuwachen droht. In weiteren Studien soll nun geprüft werden, ob das System auch für eine breitere Anwendung geeignet ist.
Foto: DAK/Scholz