Nach Trauma: Vertraute Menschen oft hilfreicher als ein Psychologe

Germanwings zum Absturz: Das Leid, das diese Katastrophe verursacht hat, ist unermesslich. Dafür gibt es keine Worte und keinen Trost
Nach dem Germanwings-Absturz steht Europa unter Schock. Zum traumatischen Erlebnis wird das Unglück für die Angehörigen, aber auch Zeugen und Einsatzhelfer können traumatisiert werden. Ohne die Katastrophe zu ahnen, hat die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie (DGPPN) ihren Hauptstadtkongress am 18. März unter die Überschrift „Traumatischer Stress und die Folgen“ gestellt. Dabei ging es um Menschen, die Beteiligte oder Zeugen eines schrecklichen Geschehens wurden, etwa eines Unfalls.
Nach einer akuten Krisensituation werde der Kontakt mit Menschen - insbesondere mit Freunden oder Angehörigen - als erleichternd empfunden, berichteten die Experten. Daher sollten Betroffene möglichst nicht alleine in eine leere Wohnung nach Hause gehen, sondern bei Freunden übernachten oder diese bitten, bei einem zu bleiben. „In der Regel ist es sehr hilfreich, über den Vorfall mit anderen zu reden. Dabei können vertraute Menschen fürs erste oftmals besser helfen als professionelle Ansprechpartner“, sagte Prof. Martin Driessen von der DGPPN.
Reden hilft, aber nicht psychologisieren
Dass zahlreiche Notfallhelfer, Seelsorger und Notfallpsychologen die Angehörigen vor Ort betreuen, steht dazu in keinem Widerspruch. Nach Ansicht des Psychiaters können in Gesprächen zum Beispiel individuelle Fragen beantwortet und gegebenenfalls der Hintergrund des Geschehens erklärt werden. Als nicht hilfreich habe sich dagegen eine frühe und detaillierte Besprechung und Bearbeitung der traumatischen Erlebnisse herausgestellt.
Germanwings hat in Marseille derweil ein Betreuungszentrum für Angehörige eingerichtet, das seit Samstag in Betrieb ist. Angehörige und Freunde, die bereits in Marseille sind, können individuell entscheiden, ob sie in Marseille bleiben oder wieder nach Hause reisen möchten. Falls sie nach Hause reisen, können sie jederzeit wieder nach Marseille zurückkehren, versichert die Airline. „In diesen dunklen Stunden gilt unsere ganze Aufmerksamkeit der emotionalen Betreuung der Angehörigen und Freunde der Opfer von Flug 4U9525“, sagte Airline-Sprecher Thomas Winkelmann. „Das Leid, das diese Katastrophe verursacht hat, ist unermesslich. Dafür gibt es keine Worte und keinen Trost.”
Nach Trauma kann es zu Folgestörungen kommen
Den Psychiatern zufolge kann die psychische Verarbeitung eines traumatischen Erlebnisses mehrere Wochen dauern und von Symptomen wie Wiedererinnerung, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie auch Reizbarkeit und Schreckhaftigkeit begleitet werden. Derartige Symptome seien zunächst eine völlig normale Reaktion. „Haben Betroffene jedoch das Gefühl, mit dem Erlebten nicht zurechtzukommen, weil sie beispielsweise ausgeprägte Ängste entwickeln und im Alltag nicht zurechtkommen, sollten sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen“, rät der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Auch wenn die Symptome länger als vier Wochen bestehen, sollten sie unbedingt ernst genommen werden. „Traumatisierten Menschen mit einem hohen Risiko für eine Folgestörung kann durch eine adäquate Therapie geholfen werden, um anhaltendes Leiden zu vermindern und bestenfalls zu verhindern.“ Hilfe böten Fachärzte, traumatherapeutisch geschulte Psychotherapeuten sowie die in zahlreichen Bundesländern etablierten Opferambulanzen.
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