Muttermilch: Treibstoff fürs Immunsystem

Medizin aus Mamas Busen: Muttermilch gilt als optimaler Schutz vor Krankheiten und Allergien. – Foto: ©Gina Sanders - stock.adobe.com
Die ersten 1000 Lebenstage spielen nach Expertenmeinung eine entscheidende Rolle für die gesunde Entwicklung des Menschen überhaupt. In dieser Zeit zwischen Empfängnis und zweitem Lebensjahr können beispielsweise die Weichen dafür gestellt werden, ob und wie sehr jemand in seinem späteren Leben an Allergien leiden wird. Dass Muttermilch die beste Nahrung für Säuglinge ist, ist unumstritten. Doch was sie so besonders macht, erschließt sich Wissenschaftlern erst nach und nach. Jetzt haben Forscher erkannt, dass „Humane Milch-Oligosaccharide“ (HMO) eine Schlüsselfunktion besitzen: Diese Mehrfachzucker, die in der Natur nur in der Muttermilch vorkommen, üben eine Vielzahl positiver Wirkungen auf die Gesundheit und Entwicklung von Babys aus. Gestillte Kinder leiden seltener als nicht gestillte an Bauchweh, Durchfällen und Allergien.
Was ist das Geheimnis der HMOs?
Der menschliche Organismus im Erwachsenenalter verfügt über ein ausgeklügeltes System an Schutzmechanismen, die verhindern sollen, dass Fremdstoffe in den Körper eindringen wie Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten. Hierzu zählen Haut und Schleimhäute – und der Darm, in dem 70 Prozent aller Immunzellen sitzen. Anders als beim Erwachsenen ist im ersten Lebensjahr eines Kindes der Magen-Darm-Trakt die Haupteintrittsstelle für Fremdstoffe. Das im Körper des Babys heranreifende Immunsystem muss eine funktionsfähige Abwehr gegen schädliche körperfremde Substanzen erst aufbauen.
Hier spielt Muttermilch eine entscheidende Rolle: Sie fördert die Besiedelung des Darms mit nützlichen Bakterien, die sich auf Verdauung und Immunsystem positiv auswirken. Die in Muttermilch enthaltenen HMOs, so haben Studien ergeben, gelangen unverdaut in den Dickdarm des Babys und dienen dort als Nahrung vor allem für Bifidobakterien: Dieser „gesunde“ Bakterientyp zeichnet sich dadurch aus, dass er weniger günstige oder gar schädliche Keime zurückdrängt. Die zweite Wirkung von HMOs ist sogar eine ganz direkte: Die natürlichen Mehrfachzucker aus der Muttermilch bekämpfen unerwünschte Keime, indem sie sie an sich binden – und auf natürlichem Wege aus dem Darm hinausbefördern.
Allergieprävention durch Ernährung
Manche Menschen haben die Veranlagung für Allergien geerbt. Bei den anderen können die Umwelteinflüsse im frühkindlichen Alter darüber entscheiden, ob jemand eine Allergikerkarriere einschlagen wird oder nicht. An dieser Stelle haben Eltern die Chance, Einfluss zu nehmen und einem Allergierisiko vorzubeugen. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass sich bestimmten Krankheiten vorbeugen lässt, wenn die Mutter ihr Kind stillt und sich während Schwangerschaft und Stillzeit gesund ernährt. Zu diesen Krankheiten zählen Neurodermitis, Heuschnupfen und Asthma. Außerdem: Erkrankungen, die in Zusammenhang mit Übergewicht stehen wie Diabetes.
Ärzte raten: Erste vier Monate ausschließlich Muttermilch
Kinderärzte und Allergologen raten Müttern dazu, ihr Kind mindestens in den ersten vier Lebensmonaten ausschließlich zu stillen – erst recht bei Kindern, in deren Familie genetisch ein erhöhtes Allergierisiko besteht. „Sie ist das einzige Nahrungsmittel, das körpereigenes Eiweiß enthält, gegen das so gut wie keine Allergie entwickelt werden kann“, heißt es in einer Informationsbroschüre der Deutschen Haut- und Allergiehilfe (DHA).
Ganz frei von Allergenen ist Muttermilch demnach zwar nicht, denn Spuren – auch von Allergenen – können aus der Nahrung der Mutter in die Milch übergehen. Allerdings ist dieser frühe Kontakt mit minimalen Mengen an Allergenen laut DHA ein natürlicher Vorgang, der dazu führen kann, dass sich das Immunsystem des Kindes langsam an fremde Eiweiße gewöhnt und diese zu tolerieren lernt.
Mittlerweile können HMOs mithilfe biotechnologischer Verfahren auch künstlich hergestellt werden. Als Zusatz zur Säuglingsnahrung stehen sie auch denjenigen Kindern zur Verfügung, die nicht gestillt werden können.
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