Mund-Rachen-Krebs: Weniger Schluckstörungen durch Radiotherapie
Die Therapie von Mund-Rachen-Krebs hängt von der Art und der Größe des Tumors sowie vom Vorhandensein von Lymphknoten- oder Fernmetastasen ab. Wenn keine Fernmetastasen vorliegen, ist es für eine Heilung notwendig, den Tumor und eventuelle Metastasen in Halslymphknoten zu behandeln. Je nach Alter und Allgemeinzustand des Patienten kommen eine Operation, Bestrahlung (Radiotherapie) oder eine Chemotherapie zum Einsatz, und zwar einzeln oder in Kombination.
Bei Tumoren im Frühstadium wird häufig einer Operation der Vorzug gegeben. Verstärkt wird dieser Trend durch die Roboterchirurgie. Bisher fehlten jedoch randomisierte Vergleiche zwischen einer Radio(chemo)therapie und einer Operation bei Mund-Rachen-Krebs. Eine kanadisch-australische Studie lieferte hier nun erstmals Ergebnisse. Demnach war die Überlebensrate bei beiden Verfahren ähnlich. Doch nach einer Radiochemotherapie lagen signifikant weniger Schluckstörungen vor. Damit war auch die Lebensqualität höher. Das teilt die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) mit.
Roboter verbessern Operationsergebnisse
Durch Einführung der intensitätsmodulierten Strahlentherapie haben sich die Ergebnisse einer radioonkologischen Behandlung in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Nicht befallene Regionen können heute wesentlich besser geschont und gravierende Nebenwirkungen wie langfristige Schluckstörungen oder Mundtrockenheit minimiert werden. Aber auch die operativen Techniken sind durch robotergestützte Verfahren und verbesserte Operationstechniken am Hals (selektive Neck Dissection) schonender für die Patienten geworden. In den USA hat inzwischen die transorale Roboterchirurgie (TORS) plus Neck Dissection (ND) die Radiotherapie immer weiter zurückgedrängt.
Bislang lagen zum Vergleich dieser beiden Therapiemöglichkeiten Operation und Radio(chemo)therapie nur Fallserien vor, bei der die Vergleichbarkeit zwischen beiden Methoden kaum gewährleistet war. Erstmals wurde jetzt ein randomisierter Vergleich zwischen diesen beiden Methoden durchgeführt. „Die Kollegen in Kanada und Australien sind für die Durchführung dieser Studie zu beglückwünschen, da es sehr schwierig ist, Patienten zufallsgemäß zwei so unterschiedlichen Therapieverfahren zuzuordnen. Umso höher ist der Stellenwert dieser Studie einzuordnen“, betont Prof. Rainer Fietkau, Präsident der DEGRO.
Weniger Schluckstörungen nach Radiotherapie
In der kanadisch-australischen Studie ORATO („oropharynx radiotherapy versus trans-oral robotic surgery“) wurden die beiden Behandlungsmodalitäten nun hinsichtlich der Lebensqualität der Patienten nach einem Jahr verglichen. Eingeschlossen wurden Patienten aus sechs Zentren, die ein Oropharynxkarzinom im Stadium T1-T2 hatten. Sie wurden in zwei Gruppen zu je 34 Patienten aufgeteilt. Während eine Gruppe eine Radiotherapie plus Chemotherapie bei Lymphknotenbefall erhielt, wurden die anderen Patienten operiert und erhielten zusätzlich eine Neck Dissection (TORS+ND), gefolgt von einer Strahlentherapie mit oder ohne zusätzliche Chemotherapie.
In Bezug auf das Schluckvermögen sowie die allgemeine Lebensqualität schnitten die Patienten, die eine Radiochemotherapie unterzogen worden waren, signifikant besser ab. In der Strahlentherapiegruppe traten allerdings häufiger Blutbildveränderungen mit erniedrigten weißen Blutkörperchen, Hörminderung und Schleimhautentzündungen auf.
Patienten sollten frei wählen können
Die Autoren der Studie fordern, dass alle Patienten grundsätzlich über beide Therapieoptionen informiert werden sollten. Dieser Forderung schließt sich auch die DEGRO an. „Auch wegen der unterschiedlichen Toxizitätsmuster müssen die Therapien individuell gegeneinander abgewogen und unbedingt mit dem Patienten besprochen werden. Ihm sollten beide Optionen angeboten werden und sowohl vom Operateur als auch vom Radioonkologen dargestellt und erläutert werden, so dass sich der Patient frei entscheiden kann “, erklärt Prof. Dr. Stephanie Combs, Pressesprecherin der DEGRO.
Mortalitätsrate bei Mund-Rachen-Krebs hoch
Jedes Jahr erkranken in Deutschland fast 14.000 Menschen an einem Oropharynxkarzinom. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 63 Jahren für Männer bzw. bei 66 Jahren für Frauen. Die 5-Jahres-Überlebensraten betragen ca. 47 bzw. 63 Prozent. Als Hauptursachen gelten Tabak- und Alkoholkonsum, die sich gegenseitig verstärken.
Einen weiteren wichtigen Risikofaktor, insbesondere für Rachenkrebs, stellen humane Papillomviren (HPV) dar. Die seit einigen Jahren für Mädchen und Jungen im Jugendalter empfohlene Impfung soll die künftige Erkrankungsrate daher deutlich senken. Auch Schadstoffe wie Asbest, Chrom, oder Nickel können eine Rolle spielen, sind aber von untergeordneter Bedeutung. Darüber hinaus scheint es auch eine genetische Veranlagung zu geben, da Mund-Rachen-Krebs mit familiärer Häufung auftritt.
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