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Multiple Sklerose: Intensive Therapie zu Beginn besonders wichtig

Samstag, 29. Juni 2019 – Autor: Anne Volkmann
Multiple Sklerose verläuft häufig in Schüben, die sich zwar oft zurückbilden, aber auch zu bleibenden Schäden führen können. Sogenannte krankheitsmodifizierende Therapien können die Häufigkeit der Schübe reduzieren. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass eine „aggressivere“ Behandlung zu Beginn möglicherweise zu besseren Langzeitergebnissen führt.
Multiple Sklerose, krankheitsmodifizierende Therapien

Multiple Sklerose kann, muss jedoch nicht zu schweren Behinderungen führen

Multiple Sklerose (MS) ist eine degenerative Nervenerkrankung, die meist im frühen Erwachsenenalter ausbricht. Betroffene leben daher in der Regel viele Jahrzehnte mit der Krankheit. Da die Schäden im Zentralen Nervensystem normalerweise immer weiter zunehmen, ist es wichtig, die Verschlechterung möglichst lange hinauszuzögern. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass eine intensive Therapie zu Beginn der Erkrankung den Verlauf günstig beeinflussen und bleibende Behinderungen reduzieren kann.

Multiple Sklerose ist nicht heilbar

MS tritt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr erstmals auf und zeigt häufig einen schubförmigen Verlauf. Die Symptome können unterschiedlich sein und reichen von Missempfindungen, Sehstörungen, Problemen bei der Fein- und Grobmotorik, Beinschwäche und Gangunsicherheit über Depressionen, Fatigue und kognitiven Einschränkungen bis hin zu schweren Behinderungen. Bedingt werden die Störungen durch chronisch-entzündliche Autoimmunprozesse im Zentralen Nervensystem, die zum Untergang der Myelin-haltigen Isolierschicht der Nervenfasern führen. Dadurch können die Nerven die elektrischen Signale nicht mehr richtig weiterleiten.

Ein akuter MS-Schub wird antientzündlich-immunsuppressiv mit Kortisonpräparaten behandelt, was zwar die akuten Symptome wieder beseitigen kann, aber auf den Langzeitverlauf der Erkrankung keinen bleibenden Einfluss hat. Für die Dauertherapie stehen heute sogenannte krankheitsmodifizierende Therapien („disease-modifying therapies“/DMTs) zur Verfügung, die zielgerichtet in die Entstehungsmechanismen der MS eingreifen bzw. durch immunmodulierende Effekte langfristig entzündungshemmend wirken. „Die Häufigkeit der Schübe kann damit meistens deutlich reduziert werden, eine Heilung gibt es derzeit leider nicht“, erläutert Herr Prof. Ralf Gold, Direktor des St. Josef Hospitals Bochum, Lehrstuhlinhaber für Neurologie an der Ruhr-Universität.

„Aggressive“ oder mildere Therapie zu Beginn sinnvoll?

Die krankheitsmodifizierenden Medikamente kann man in verschiedene Wirkstärken einteilen, wobei die eher mild wirkenden Präparate auch günstigere Nebenwirkungsprofile haben. Die hocheffektiven Medikamente bringen hingegen deutlich höhere Risiken mit sich. Oft müssen solche Therapien engmaschig, manchmal sogar stationär, überwacht werden. Sie sind daher in der Regel Patienten mit einer schlechten Prognose vorbehalten.

Wie aggressiv gerade am Anfang einer Erkrankung die medikamentöse Behandlung sein sollte, ist umstritten. In der Regel wird bei Patienten mit leichterer Krankheitsausprägung bzw. in frühen Krankheitsstadien eher eine Strategie gewählt, die mit milden Präparaten beginnt und nur bei Bedarf immer stärkere Substanzen einsetzt.

Eine aktuelle Studie hat nun untersucht, inwieweit der frühe Einsatz intensiver Therapien den Langzeitverlauf bei Multipler Sklerose positiv beeinflussen kann. Die Probanden der Studie wurden danach eingeteilt, ob sie eine frühe intensive bzw. hocheffektive Therapie („early intensive treatment“ = EIT) oder eine moderat-effektive, eskalierende Therapie (ESC) erhalten hatten.

Neue Studie spricht für intensiven Therapieeinstieg

„In einer relativ großen Kohorte von MS-Patienten zeigte sich, dass eine frühzeitige intensive krankheitsmodifizierende Therapie gegenüber einer moderaten DMT den Krankheitsverlauf über die ersten fünf Jahre günstig beeinflusst, gerade im Hinblick auf die Entwicklung bleibender Behinderungen“, kommentierte Prof. Gold die Ergebnisse der Analyse. „Ein vorsichtiger Therapieeinstieg ging hingegen mit einem schlechteren Outcome einher.“

Vor dem Hintergrund dieser Daten erscheine es notwendig, die derzeit geltenden Kriterien für die initiale Therapiestrategie in großen randomisierten Studien zu überprüfen, so der Experte. „Bis dahin müssen wir versuchen, schon frühzeitig schubförmige MS-Patienten, die nicht stabil sind, mit stärkeren Therapeutika aus dem heute zugelassenen Therapierepertoire zu behandeln.“

Foto: © DDRockstar - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin
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