Multiple Sklerose: Daclizumab vom Markt genommen
Bereits im vergangenen Jahr war in Deutschland eine MS-Patientin, die mit Zinbryta (Daclizumab) behandelt wurde, an den Folgen von akutem Leberversagen verstorben. Die Patientin hatte vier Injektionen des monoklonalen Antikörpers erhalten, und zwar unter vorschriftsmäßiger Überwachung ihrer Leberenzym- und Bilirubinwerte. Nun sind mehrere Fälle schwerer Entzündungsstörungen unter Daclizumab bekannt geworden, darunter immunvermittelte Enzephalitis und Enzephalopathie, wobei sich einer der Fälle in Spanien und sieben in Deutschland ereignet haben sollen.
EMA leitet Prüfverfahren ein
Am 2. März 2018 gab die European Medicines Agency (EMA) bekannt, dass sie gegen Daclizumab ein "Verfahren nach Artikel 20" eingeleitet hat. Dies ist eine eilige Überprüfung eines bereits zugelassenen Wirkstoffes. Nur wenige Stunden später erklärten der Hersteller Biogen und seine Partnerfirma AbbVie, dass sie das Mittel eigenverantwortlich vom Markt nehmen, also auf die Zulassung verzichten.
„Aufgrund der Art und Komplexität der berichteten Nebenwirkungen wird eine Charakterisierung des Nutzen-Risiko-Profils von Zinbryta® angesichts der begrenzten Anzahl behandelter Patienten künftig nicht mehr möglich sein. Daher haben Biogen und AbbVie eigenverantwortlich beschlossen, dass es im besten Interesse der Patienten ist, die weltweiten Marktzulassungen für Zinbryta® zu widerrufen“, so der Hersteller Biogen in einer Pressemitteilung. Die Patientensicherheit habe oberste Priorität. Das Unternehmen hat die EMA auch über seine Entscheidung informiert, die laufenden klinischen Studien mit Daclizumab in der EU einzustellen und unverzüglich einen Rückruf der Chargen des Arzneimittels Zinbryta in Deutschland zu initiieren.
Patienten sollen Daclizumab so schnell wie möglich absetzen
Daclizumab ist ein durch die Europäische Kommission im Jahr 2016 zugelassener monoklonaler Antikörper zur Behandlung der schubförmigen Multiplen Sklerose. Im Beipackzettel des Medikamentes wurde darauf hingewiesen, dass Leberfunktionseinschränkungen und Immunreaktionen zu den schwerwiegendsten Nebenwirkungen gehören und unter Umständen auch tödlich verlaufen können. Nach einem Bewertungsverfahren der EMA wegen lebensbedrohlicher Fälle von Leberentzündungen wurde die Zulassung bereits im Jahr 2017 auf erwachsene Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose, die auf mindestens zwei krankheitsmodifizierende Therapien nicht ausreichend angesprochen hatten und bei denen eine Behandlung mit jeder anderen DMT kontraindiziert oder aus anderen Gründen ungeeignet ist, eingeschränkt.
Aufgrund der neuesten Entwicklungen empfehlen das Paul Ehrlich Institut (PEI) und die EMA:
- dass Ärzte keine neuen Patienten mit Zinbryta behandeln,
- dass sie ihre mit Zinbryta behandelten Patienten so rasch wie möglich kontaktieren, um das Medikament abzusetzen und alternative Therapieoptionen gemeinsam zu besprechen,
- dass Patienten, die Zinbryta absetzen, wegen der langen Halbwertszeit des Arzneimittels weiterhin entsprechend der Fachinformation nachbeobachtet werden sollten.
Zudem werden betroffene Patienten gebeten, sich mit Fragen an den behandelnden Arzt zu wenden.
Foto: © Davizro Photography - Fotolia.com