MS: Vorsichtsmassnahmen für Tysabri bestätigt
Tysabri (Wirkstoff: Natalizumab) gilt als grosser Fortschritt bei der Behandlung der schubförmigen Multiplen Sklerose. In zwei grossen Studien wurde gezeigt, dass es die Schubrate erheblich reduzieren und das Fortschreiten der MS verlangsamen kann. Dennoch ist bei der Verschreibung von Tysabri Vorsicht geboten, da während der Therapie einige schwere Fälle von Progressiver Multifokaler Leukenzephalopathie (PML) aufgetreten sind. So darf das Medikament nicht mit anderen immunmodulierenden oder -suppressiven Therapien kombiniert werden, und nach einer solchen Therapie muss ein ausreichender zeitlicher Abstand eingehalten werden, bevor eine Behandlung mit Tysabri begonnen wird. Eine aktuelle Analyse klinischer Studien und eines schwedischen Registers, die vor kurzem im New England Journal of Medicine publiziert wurde, bestätigen nun die Notwendigkeit dieser Vorsichtsmassnahmen.
Die Progressive Multifokale Leukenzephalopathie ist eine schwere Viruserkrankung, die durch das JC-Virus (JCV) hervorgerufen wird. In 20 Prozent der Fälle verläuft die Erkrankung tödlich oder hinterlässt schwere Behinderungen. Über die Hälfte aller Menschen sind mit dem JC-Virus infiziert. Es wird allerdings erst pathogen, wenn es aus dem Blut und den peripheren Organen ins Zentrale Nervensystem übertritt. Dies kann durch eine Therapie mit Tysabri begünstigt werden. Dennoch ist das Erkrankungsrisiko im Allgemeinen gering. Von knapp 100.000 Patienten, die weltweit mit Natalizumab behandelt wurden, sind bisher rund 200 Fälle von PML bestätigt worden. Die Wahrscheinlichkeit eines Auftretens der Viruserkrankung liegt also bei etwa 0,2 Prozent.
Tysabri nur unter strengen Kontrollen anwenden
Bei positivem JCV-Nachweis, vorheriger immunsuppressiver Therapie und nach einer länger als zwei Jahre dauernden Behandlung mit Tysabri steigt allerdings das Risiko, an einer Progressiven Multifokalen Leukenzephalopathie zu erkranken, auf etwa 1,1 Prozent an. Bei Patienten, die keine JCV-Antikörper im Blut haben, liegt das Risiko hingegen fast bei null. Der JCV-Antikörperstatus lässt sich durch eine einfache Blutuntersuchung nachweisen. Unabhängig vom Blutstatus müssen aber bei allen Patienten während der Behandlung mit Tysabri strenge neurologische Kontrollen durchgeführt werden. Bei Verdacht auf PML wird die Therapie sofort abgebrochen. Es werden dann unverzüglich ein MRT, Blutkontrollen und meistens auch eine Liquoruntersuchung veranlasst, um den Verdacht zu bestätigen oder auszuräumen.
Natalizumab ist ein monoklonaler Antikörper, also ein Eiweissstoff, der ganz bestimmte Eiweissstrukturen im Körper erkennt. Der Antikörper wirkt an der Blut-Hirn-Schranke und verhindert, dass T-Zellen ins Gehirn übertreten. Es ist zur Behandlung der schubförmigen, hochaktiven MS zugelassen - allerdings wegen des PML-Risikos erst als Mittel zweiter Wahl nach Versagen einer Basisbehandlung oder im Einzelfall bei rasch fortschreitender Krankheit auch als Primärtherapie. Tysabri wird monatlich als Infusion verabreicht und im Allgemeinen gut vertragen. Das Auftreten von PML hatte in den USA kurz nach der Einführung des Medikaments im Jahre 2004 zur Marktrücknahme geführt. 2006 erhielt es wieder eine - allerdings engere - Zulassung. Im gleichen Jahr wurde Tysabri auch in Europa mit entsprechenden Warnhinweisen eingeführt. Nach den aktuellen Analysen wurde in Deutschland ein neuer Aufklärungsbogen für Patienten veröffentlicht.
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