MS: Risikoneubewertung für Tysabri geplant
Als das Medikament Tysabri mit dem Wirkstoff Natalizumab zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) zugelassen wurde, galt dies als großer Fortschritt. Studien konnten zeigen, dass Tysabri die Schubrate gerade auch bei hochaktiver MS erheblich reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen kann. Doch dann stellte sich heraus, dass unter der Therapie mit Tysabri einige schwere Fälle von Progressiver Multifokaler Leukenzephalopathie (PML), einer durch einen Virus hervorgerufenen Gehirnentzündung, aufgetreten waren, die in einem Teil der Fälle sogar zum Tode führten.
Um das Risiko für PML besser einschätzen zu können, hat die European Medicines Agency (EMA) im Mai 2015 eine Überprüfung der Therapieempfehlungen zu Tysabri gestartet, bei der neue Daten zum PML-Risiko ausgewertet werden sollen. Im Abschluss soll die Frage geklärt werden, ob die Empfehlungen zum Umgang mit Tysabri geändert werden müssen.
Risikofaktoren für Hirninfektion
Die Progressive Multifokale Leukenzephalopathie ist eine selten auftretende Infektion des Gehirns, die durch den JC Virus (JCV) ausgelöst wird und in etwa 20 Prozent der Fälle tödlich endet oder zu schweren Behinderungen führt. Den JC Virus tragen Schätzungen zufolge über 80 Prozent der Bevölkerung in sich, aber erst bei einer starken Schwächung oder Unterdrückung des Immunsystems kann es zu einer Reaktivierung des Virus und in der Folge zu einer PML kommen.
Unter der Behandlung mit Tysabri konnte ein gehäuftes Auftreten der Virusinfektion festgestellt werden. Das Medikament wird daher nur als Mittel der zweiten Wahl empfohlen, wenn eine Basisbehandlung mit anderen Beta-Interferonen oder Glatirameracetat gescheitert ist oder wenn es sich um eine rasch fortschreitende MS handelt. Zurzeit wird zur Reduzierung des PML-Risikos empfohlen, vor der Behandlung mit Tysabri ein MRT durchführen zu lassen und dieses jährlich zu wiederholen. Neuere Studien weisen darauf hin, dass häufigere MRT-Untersuchungen eine größere Anzahl an asymptomatischen Fällen von PML aufdecken können.
Risiko unter Tysabri besser einschätzen
Zudem wird empfohlen, Patienten, die negativ auf JCV getestet wurden, alle sechs Monate erneut zu testen. Denn Ergebnisse der AFFIRM und der STRATIFY 1 Studie haben ergeben, dass fast 13 Prozent der Patienten, die keine entsprechenden Antikörper aufwiesen, diese dennoch während der weiteren Beobachtung entwickelten. Zudem sind mindestens vier Fälle von PML bekannt, bei denen die betroffenen Patienten JCV-negativ waren.
Gleichzeitig werden verschiedene Ansätze für neue Testmethoden verfolgt, die dazu beitragen sollen, das Risiko für eine Hirninfektion unter Tysabri besser einzuschätzen. Die derzeit laufende Überprüfung durch die EMA soll im September 2015 abgeschlossen sein; die Ergebnisse werden dann der Europäischen Kommission zur Entscheidung hinsichtlich möglicher neuer Empfehlungen vorgelegt werden.
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