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Morbus Menière: Was bringen Injektionen ins Innenohr?

Sonntag, 13. Februar 2022 – Autor:
Morbus Menière ist eine schwer behandelbare Erkrankung des Innenohrs. Injektionen mit Kortison oder Gentamicin sind umstritten. Eine Meta-Studie liefert jetzt weitere Evidenz für die intratympanale Therapie. Doch die Daten erleichtern nicht unbedingt die Entscheidung.
Morbus Menière bessert sich oft von alleine – Injektionen ins Innenohr sind nur das Mittel der Letzten Wahl

Morbus Menière bessert sich oft von alleine – Injektionen ins Innenohr sind nur das Mittel der Letzten Wahl – Foto: © Adobe Stock/ jaojormami

Schwindelattacken, eine einseitige Hörminderung, besonders im Tieftonbereich, Ohrgeräusche und Ohrdruck sind typische Anzeichen für einen Morbus Menière. Auslöser ist ein Flüssigkeitsstau innerhalb des Gleichgewichtsorgans im Innenohr durch eine überschießende Produktion oder zu geringe Resorption von Innenohrflüssigkeit (Endolymphe). Dadurch kommt es zum Überdruck und Einreißen von Membranen im Innenohr, die zu den Episoden mit Drehschwindel und Ohrsymptomen führen.

Betahistin Standardmedikament

Die Betroffenen haben meist einen hohen Leidensdruck. Eine kausale Therapie gibt es bislang nicht. Im Akutfall können Medikamente wie Dimenhydrinat gegen Übelkeit und Erbrechen helfen, zur Prophylaxe wird oft Betahistin in hoher Dosierung verschrieben. Salzarmer Ernährung, von Kaffee-, Alkoholverzicht oder Diuretika werden manchmal empfohlen, hierzu gibt es aber keine Evidenz.

In schweren Fälle, wenn alle anderen Therapien nicht helfen, appliziert der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Medikamente von außen ins Trommelfell. Eingesetzt für die sogenannte intratympanale Therapie werden Glukokortikoide sowie das Aminoglykosid-Antibiotikum Gentamicin. In hoher Konzentration schädigt Gentamicin die Sinneszellen des Innenohrs, so dass das Gleichgewichtorgan im betroffenen Ohr ausgeschaltet wird. Dieser Ausfall kann zwar nach einer gewissen Zeit vom Gehirn teilweise kompensiert werden. Jedoch kann auch ein Hörverlust durch die Injektion eintreten. Wegen dieser Nebenwirkungen sehen viele Ärzte die intratympanale Therapie mit Gentamicin sehr kritisch.

10 Studien ausgewertet

Eine Metaanalyse hat nun die vorhandenen Studien analysiert und die intratympanale Gabe von Steroiden versus Gentamicin sowie beide Substanzen jeweils gegen Placebo verglichen. Es wurden zehn Studien eingeschlossen. Alle Studienteilnehmenden litten an einseitigem Morbus Menière und hatten im Vorfeld nicht auf konservative Therapien angesprochen, wozu etwa eine salzarme Diät, Diuretika und Betahistin gehörten.

Im Ergebnis zeigte sich, dass die Gentamicin- und Steroid-Injektionen deutlich besser gegen Drehschwindel wirkten als Placebo. Glukokortikoide hatten im Vergleich zu Gentamicin einen besseren protektiven Effekt auf das Hörvermögen, allerdings kam es unter Kortikoid-Therapie zu einer ähnlichen Verschlechterung des Hörens wie unter Placebo. Nebenwirkungen waren Injektions-assoziierte Schmerzen, Infektionen und Trommelfellperforation.

Hohe Rate an Spontanheilungen

Angesichts dieser Ergebnisse merken die Studienautoren an, dass sich Morbus Menière in 60 bis 80 Prozent der Fälle im Verlauf von zwei bis acht Jahren von alleine bessert - bis hin zur vollständigen Remission. Das klingt eher so, dass die Autoren zu einem sparsamen Einsatz der Injektionen raten.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie gibt indes zu bedenken, dass es ohne Behandlung auch zu fortschreitendem Hörverlust und einem beidseitigen Morbus Menière kommen kann, immerhin in bis zu 40 Prozent der Fälle. Das Risiko einer Verschlechterung steht also der Chance eine Spontanheilung gegenüber.

Auf jeden Fall sollten Betroffene im Gespräch immer auf die Bedeutung der Hörminderung bei der Gabe von Gentamicin hingewiesen werden, schreibt die Fachgesellschaft  in einer Medienmitteilung. Wenn notwendig, dann sollten die Injektionen leitlinienentsprechend erfolgen, das heißt in mehrwöchigen Abständen, um die Innenohrtoxizität so gering wie möglich zu halten.

Morbus Menière beginnt meist zwischen der 40 und 60 Jahren. In Europa gibt es ungefähr eine Million Betroffene.

Quelle: Hao W, Yu H, Li H. Effects of intratympanic gentamicin and intratympanic glucocorticoids in Ménière’s  disease: a network meta-analysis. J Neurol 2022 Jan; 269 (1): 72-86

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