
Migräne zählt zu den quälendsten neurologischen Erkrankungen
Etwa jeder zehnte Deutsche leidet unter Migräne, teilweise schon seit der Kindheit, und oft, ohne die Diagnose zu kennen oder eine gezielte Therapie zu erhalten. Frauen sind dabei ca. dreimal häufiger betroffen als Männer. In Europa ist Migräne die neurologische Krankheit, die gemeinsam mit demenziellen Erkrankungen die höchste Krankheitslast (gemessen in DALY, disability-adjusted life years) verursacht. Anlässlich des World Brain Days am 22. Juli macht die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG) darauf aufmerksam, dass Migräne wirksam behandelt werden kann und sollte.
Leidensdruck bei Migräne groß
Das persönliche Leid, das mit dieser neurologischen Erkrankung verbunden ist, ist enorm hoch: Hämmernde, starke Schmerzen, die sich bei geringster Belastung weiter verstärken, Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmüberempfindlichkeit sind die typischen quälenden Symptome bei Migräne. Scheinbar aus heiterem Himmel ereilen die Attacken Patienten mehr oder weniger regelmäßig und können im Extremfall 15 und mehr Migränetage pro Monat verursachen – eine massive Einschränkung der Lebensqualität.
Nicht nur der einzelne Betroffene, auch die Wirtschaft leidet unter der Krankheitslast, denn Migräne gehört zu den häufigsten Gründen für Krankmeldungen. „Wir gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft jährlich mehr als 30 Millionen Arbeitstage durch Migräne verliert“, so Privatdozentin Dr. med. Stefanie Förderreuther, Präsidentin der DMKG und Neurologin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Betroffene werden oft nicht ernst genommen
Gleichzeitig werde die neurologische Erkrankung immer noch zu selten ernst genommen und zu oft bagatellisiert, so die Expertin. Zusätzlich zu den Schmerzen leiden Betroffene darunter, als nicht belastbar oder gar als Drückeberger zu gelten.
Der Leidensdruck reicht damit weit über körperliche Symptome hinaus: Die Angst vor Arbeitsplatzverlust wegen häufiger Fehltage oder verminderter Leistungsfähigkeit sowie die Angst vor der nächsten Migräneattacke lasten schwer auf den Patienten und können zu begleitenden Depressionen führen. Knapp die Hälfte der Betroffenen leidet darunter, aufgrund ihrer Migräne Sozial- und Freizeitaktivitäten zu verpassen oder für Kinder und Partner weniger Zeit zu haben.
Versorgung von Migränepatienten häufig ungenügend
Laut einer Befragung der DMKG wird weniger als die Hälfte (43 Prozent) der Migränepatienten beim Hausarzt oder Internisten zu vorbeugenden Maßnahmen beraten. Selbst beim Neurologen erhalten nur 57 Prozent entsprechende Informationen. Neben der zu geringen Prophylaxerate gibt es weitere Gründe für die Unterversorgung: „Die Migräne spielt sich im Verborgenen ab. Während der Attacke ziehen sich die Betroffenen zurück. Ist sie vorüber, sind die Patienten wieder weitgehend einsatzfähig. Im EEG, CT und Kernspintomogramm finden sich keine Auffälligkeiten, Blutwerte und andere Untersuchungsbefunde sind normal. Ich bin überzeugt, dass das wesentlich dazu beiträgt, dass selbst manche Ärzte die Krankheit unterschätzen“, erklärt Dr. Förderreuther.
Migräne kann behandelt werden
Um die Versorgungssituation von Migränepatienten zu verbessern, aktualisiert die DMKG gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) regelmäßig die Leitlinien für Akuttherapie und Prophylaxe der Migräne. Die online frei zugängliche Leitlinie gibt einen umfassenden Überblick über das breite Spektrum der wissenschaftlich gesicherten Therapieverfahren und räumt nicht nur Medikamenten, sondern auch nichtmedikamentösen Verfahren wie regelmäßigem Ausdauersport, Entspannungsverfahren, Biofeedback und Stressmanagement einen hohen Stellenwert ein. Die Palette der Behandlungsoptionen ermöglicht es, für jeden Patienten die passende Therapie zu finden.
Um auf Migräne und Kopfschmerz sowie deren Auswirkungen auf Menschen und Gesellschaft aufmerksam zu machen, startet die DMKG eine Aufklärungsinitiative. Starttermin wird der 5. September 2019, der Welt-Kopfschmerz-Tag, sein. Zentrale Botschaft an Betroffene und Ärzte ist: „Jeder Patient, der unter Kopfschmerzen leidet, kann behandelt werden.“
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