Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Menstruation in Deutschland: Für Frauen kostspielig – und noch immer voller Tabus

Freitag, 27. Mai 2022 – Autor:
Auch im hochzivilisierten Deutschland gibt es Probleme im Umgang mit der weiblichen Menstruation. Jede vierte Frau ist wegen teurer Hygieneprodukte finanziell überfordert. Jedes fünfte Mädchen weiß bei der ersten Monatsblutung nicht, was mit ihm geschieht.
Hygieneprodukte für die Menstruation - Euro-Bargeld.

Für jede vierte Frau in Deutschland ist es ein finanzielles Problem, sich während ihrer Periode mit Hygieneartikeln zu versorgen. Das zeigt eine Studie der Kinderrechtsorganisation „Plan International“ anlässlich des Welt-Menstruationstags am 28. Mai. – Foto: Plan International/Eva Haeberle

Viele Frauen stellt die Beschaffung von Hygieneartikel für ihre Periode vor finanzielle Probleme. Viele Mädchen sind zum Zeitpunkt ihrer ersten Periode nicht darüber aufgeklärt, was da gerade mit ihnen passiert. Viele Frauen empfinden sich als unrein und schämen sich, wenn sie bluten. Es fehlt an guter Aufklärung zum Thema und Tabus sind noch immer weitverbreitet. Das sind die zentralen Ergebnisse einer repräsentativen Befragung des Deutschland-Ablegers der Kinderrechtsorganisation „Plan International“.

Teure Hygieneprodukte überfordern viele Frauen finanziell

Jede zweite Frau in Deutschland würde sich der Studie zufolge besser mit Tampons und Binden versorgen, wenn diese weniger Geld kosteten. Altersübergreifend hat fast jede vierte in Deutschland finanzielle Mühe, sich mit Hygieneprodukten während der Periode zu versorgen. Jede zehnte gibt an, den Wechsel von Binden, Tampons oder Slipeinlagen wegen Geldmangels hinauszuzögern.

21 Prozent der Mädchen erleben die erste Blutung unaufgeklärt

Auch fehlte vielen Mädchen bei der ersten Periode das nötige Wissen. 21 Prozent der Teilnehmerinnen gaben an, dass sie gar nicht wussten, was mit ihnen geschah, als sie ihre erste Periode bekamen. Jede zehnte kannte sich nach eigenen Angaben in dieser Situation auch nicht mit Hygieneprodukten aus.

Wenn die Periode kommt: Tabus, Stigmatisierung, dumme Sprüche

Tabus und Stigmata rund um die Periode seien auch 2022 noch an der Tagesordnung, heißt es in der Plan-Studie weiter. Rund ein Drittel der Befragten fühlt sich aufgrund der Menstruation „unrein". 97 Prozent der befragten Mädchen und Frauen empfinden Blutflecken auf der Kleidung als „Worst Case"-Szenario. Und die Männer? 79 Prozent haben nach eigener Aussage schon mal einen „blöden" Spruch über die Periode gemacht oder eine solche Bemerkung bei einem Freund mitbekommen.

Menstruationsschmerzen behindern soziale Aktivitäten

Weitere Themen sind Begleiterscheinungen der Menstruation und dadurch bedingte Einschränkungen: 72 Prozent der Mädchen und Frauen haben Unterleibsschmerzen und Krämpfe und 39 Prozent nehmen Schmerzmittel gegen die Beschwerden. Das bleibt nicht ohne Folgen: 62 Prozent der Mädchen und Frauen sagen Aktivitäten aufgrund von Schmerzen ab, empfinden das jedoch als unangenehm oder sehr unangenehm und stoßen in ihrem Umfeld auf zu wenig Toleranz.

Jede vierte Frau hat Angst, sich wegen Menstruationsbeschwerden krankzumelden

Am größten ist die Sorge bei Krankmeldungen in Job, Schule, Ausbildung oder Universität: 23 Prozent befürchten hier Unverständnis oder negative Konsequenzen, wenn sie aufgrund von Periodenbeschwerden fehlen. Plan International sieht darin einen weiteren Ausweis für eine „tief verwurzelte Benachteiligung der Betroffenen in der deutschen Gesellschaft“. Großen Handlungsbedarf gebe es auch in öffentlichen Gebäuden: So sind 42 Prozent der Mädchen und Frauen in Deutschland mit der dortigen Hygienesituation unzufrieden.

„‚Perioden-Armutauch ein Problem im reichen Deutschland“

„Wir sind noch weit davon entfernt, eine vorurteilsfreie, aufgeklärte und periodenfreundliche Gesellschaft zu sein“, kritisiert die Sprecherin der Geschäftsführung von „Plan International Deutschland“, Kathrin Hartkopf. Selbst in einem reichen Land wie Deutschland gebe es viele Mädchen und Frauen, die sich ihre monatliche Regelblutung schlichtweg nicht leisten könnten. Gerade für die junge Zielgruppe stellten die monatlichen Kosten für Periodenprodukte eine hohe finanzielle Belastung dar. Die immer wieder angeprangerte „Perioden-Armut“ sei keineswegs nur ein Problem ärmerer Länder, sondern auch in Deutschland Realität. Hartkopf fordert von der Politik, dafür zu sorgen, dass in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen sowie in öffentlichen Gebäuden Hygieneartikel kostenlos bereitstehen.

Menstruation: „Schulen klären Jungen und Mädchen mangelhaft auf“

 „Jedes fünfte Mädchen in Deutschland weiß bei seiner ersten Periode nicht, was mit ihm geschieht, fühlt sich hilflos und überfordert“, sagt Thorsten Kiefer, Vorstandschef Mitgründer und CEO von „Wash United“, einem Netzwerk von 24 deutschen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), das dafür kämpft, dass Menschen weltweit Zugang zu einer sicheren und würdevollen Trinkwasser- und Sanitärversorgung haben. Dieser Umstand sei „schockierend“, sagte Kiefer – „angesichts der Defizite bei der Menstruationsaufklärung an Schulen in Deutschland aber wenig überraschend“.

Vor allem Schulen sehen die beiden zivilgesellschaftlichen Organisationen hier in der Pflicht. Die jetzt vorgelegte Umfrage zeigt: 79 Prozent der weiblichen und 60 Prozent der männlichen Befragten wünschen sich, dass sie im Unterricht besser über die Menstruation aufgeklärt werden als bisher der Fall.

Hauptkategorie: Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Gynäkologie , Hygiene

Weitere Nachrichten zum Thema „Menstruation“

Es gibt Menstruationsbeschwerden – und es gibt PMDS. Bei jeder zwanzigsten Frau kommt es vor der Menstruation zu gravierenden psychischen Wandlungen bis hin zur Wesensveränderung. Die „prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) ist jetzt Teil des internationalen Diagnosekatalogs der WHO. In Deutschland ist das Krankheitsbild bisher wenig bekannt – sogar unter Fachärzten.

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin