Menschen mit Depressionen werden oft nicht bedarfsgerecht versorgt
Eine der Ursachen dafür sei das regional unterschiedliche Angebot an Psychotherapeuten sowie psychiatrischen und psychosomatischen Fachärzten. Wartezeiten von durchschnittlich 17 Wochen seien keine Besonderheit. Dr. Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung fordert hier Veränderungen: „Insbesondere schwer Erkrankte benötigen schnelle und angemessene Hilfe. Dafür müssen die Therapieplätze bedarfsgerechter verteilt werden.“ Auch neue Versorgungsmodelle könnten dazu beitragen, die Situation der Patienten zu verbessern, so Mohn.
Jeder Fünfte Mensch erkrankt statistisch gesehen einmal im Laufe seines Lebens an einer Depression
Depressionen gehören zu den häufigsten und folgenreichsten Erkrankungen. Jeder fünfte Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens an einer Depression. Derzeit leiden etwa neun Millionen Deutsche an einer behandlungsbedürftigen Depression, mindestens 15 Prozent von ihnen sind schwer krank. Professor Martin Härter, Autor der Faktencheck-Studie betonte: „Die Ergebnisse sind alarmierend. Werden Depressionen nicht angemessen behandelt, können sie chronisch werden. Noch gravierender ist die Gefahr von Suizid bei schweren Depressionen." Durchschnittlich nehme sich jeder siebte schwer Depressive das Leben, so der Direktor des Instituts und Poliklinik für Medizinische Psychologie an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf.
Depressionen: Regionale Unterschiede sind nur ein Grund für die unzureichende Versorgung
Die Gründe für die Unterschiede in der Versorgung von schweren Depressionen sind laut Faktencheck vielschichtig. Eine Ursache ist das regional unterschiedliche Angebot an Psychotherapeuten sowie psychiatrischen und psychosomatischen Fachärzten. Kommen im Landkreis Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt) nur neun Psychotherapeuten oder Fachärzte auf 100.000 Einwohner, sind es in Heidelberg (Baden-Württemberg) 165. Berlin, Bremen und Hamburg haben eine bis zu viermal höhere Therapeutendichte als die neuen Bundesländer. Doch es liegt nicht nur an der Therapeutendichte: Vor allem Bayern und Baden-Württemberg fallen im Ländervergleich durch hohe Diagnose-, aber niedrige Behandlungsraten auf. Der Faktencheck Depression weist erstmals die hohe Diskrepanz zwischen Behandlungsempfehlungen und der tatsächlichen Versorgung nach.
Für die Studie wurden die anonymisierten Daten von rund sechs Millionen Versicherten der Betriebs- und Innungskrankenkassen ausgewertet. Sie sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.
Teresa Enke, Ehefrau von Nationaltorwart Robert Enke, der sich wegen seiner Depressions-Erkrankung das Leben nahm, sagte bei der Vorstellung des Faktenchecks: „Der Faktencheck Depression zeigt deutlich auf, welch große Herausforderungen auf die Gesellschaft zukommen, möchte sie die seelische Gesundheit der Menschen stärken. Mein Wunsch ist es, dass wir alle eine gewisse Normalität für die Betroffenen entwickeln, da sich niemand für eine psychische Erkrankung schämen braucht."
Die Deutsche DepressionsLiga e.V, die die Interessen der Betroffenen bündelt, wies anlässlich der Veröffentlichung der Studie darauf hin, dass die bundesweit tätigen Selbsthilfeorganisationen bei der Überbrückung der langen Wartezeiten bis zu einer adäquaten Therapie mit ihren Hilfsangeboten wie Mail- und Telefonberatung wichtige Unterstützungsarbeit leisten. Als Anlaufstelle für Betroffene böten sie oftmals „erste Hilfe“ und seien darüber hinaus Wegweiser zur weiteren Therapie.
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