Medikamententests fanden DDR-weit statt
Das Ausmaß der Medikamententests an DDR-Bürgern ist offenbar größer als zunächst angenommen. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ sollen mindestens 50.000 Menschen, nicht zugelassene Medikamente westdeutscher Pharmafirmen verabreicht bekommen haben, mitunter ohne ihr Wissen. Inwieweit die Medikamententests in der DDR den damals gültigen Standards wie der Deklaration von Helsinki entsprochen haben, soll nun aufgeklärt werden. Die Charité kündigte als erste Einrichtung eine umfassende Untersuchung an und wird dabei vom Bundesinnenministerium unterstützt.
Medikamententests in der gesamten DDR
„Wir erhoffen uns eine weitgehend systematische Aufarbeitung dieser Auftragsforschung“, sagte Prof. Volker Hess, Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin der Charité am Montag. „Untersucht werden sollen in dem Vorhaben die Aufklärungs- und Einwilligungspraxis beteiligter Studienteilnehmer sowie der Umgang mit unerwünschten Nebenwirkungen - auch im Vergleich der damaligen Praxis zwischen Ost und West.“ Die Charité habe bereits die Vernichtung von Akten die nach Jahrzehnten übliche Vernichtung von Akten nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen gestoppt, um die Abläufe im Einzelfall möglichst vollständig nachvollziehen zu können.
Nach Recherchen des Spiegels und des rbb wurden die Medikamententests aber nicht nur in Ost-Berlin durchgeführt. Weitere Städte und auch kleinere Regionalkrankenhäuser der DDR waren betroffen. Die Thüringer Landesbeauftragte die Stasi-Unterlagen, Hildigund Neubert, forderte deshalb, mit der Untersuchung nicht nur die Charité zu beauftragen. Auch Wissenschaftler aus anderen ostdeutschen Ländern müssten einbezogen werden, sagte sie im Interview mit dem rbb.
Vfa: klinische Prüfungen in der DDR entsprachen dem damals Üblichen
Der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) erklärte, die Tests hätten damals allgemein üblichen Standards für klinische Studien entsprochen. „Das DDR-Recht machte Vorgaben für die Durchführung klinischer Prüfungen, die denen westlicher Staaten und auch der USA vergleichbar waren“, betonte vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer. Zudem seien viele der Studien nach dem DDR-Prüfplan parallel in westlichen Ländern durchgeführt worden. Eine Beteiligung an den Kosten für die Aufarbeitung lehnt der vfa bislang ab, „er stehe aber zu Gesprächen bereit, wie er sich in dieses Projekt einbringen könnte“, sagte Fischer.
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