„Medikamente“ aus der körpereigenen Apotheke: Kann man pharmakologische Reaktionen erlernen?

Körpereigene Arzneistoffe zur Therapie nutzen: Das Wissen um gelernte pharmakologische Effekte ist jung, aber in jüngster Zeit offenbar enorm gewachsen. – Foto: AOK-Mediendienst
Medikamente wirken nicht automatisch und mechanisch – selbst wenn sie seit Generationen bewährt sind oder einfach nur teuer. Vielmehr entfalten sie „ihre Wirkung in Patienten im komplexen Zusammenspiel mit den persönlichen, psychobiologischen Bedingungen“, sagen Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. Wichtige Einflussfaktoren seien etwa die Erwartungen des Patienten an den Erfolg, die Nebenwirkungen einer Therapie oder erlebte Vorerfahrungen mit Medikamenten oder medizinischen Behandlungen, die auf Lern- und Konditionierungsprozessen basierten. Genauso könnte es dieses Zusammenspiel in Zukunft für Patienten erlernbar machen, körpereigene Arzneistoffe zu aktivieren, um chronischen Krankheiten zu lindern – bei einer geringeren Dosis an chemischen Medikamenten.
Nebenwirkungen: Ein Problem chronisch kranker Arzneikonsumenten
Der Hintergrund: Patienten mit unterschiedlichen, chronischen Erkrankungen wie Schmerzen, Depressionen oder entzündlichen Erkrankungen benötigen eine kontinuierliche, oft lebenslange Behandlung mit Medikamenten, die Krankheitssymptome reduzieren und somit die Lebensqualität aufrechterhalten. Die Mehrzahl dieser Medikamente löst jedoch auch unerwünschte, teilweise erhebliche Nebenwirkungen aus. Das macht die Entwicklung von alternativen, unterstützenden Therapien erforderlich.
Studie: „Pharmakologische Reaktionen“ kann man lernen
Ein erfolgversprechender Weg zur Therapie solcher Erkrankungen könnte in Zukunft das „assoziative Erlernen pharmakologischer Reaktionen“ sein. Wissenschaftler vom Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie der Universitätsklinik Essen haben jetzt eine Studie vorgestellt, die auf eigenen Tierversuchen, Untersuchungen an gesunden Probanden und an Patienten fußt. In ihrer Studie halten sie eine Entwicklung von assoziativen Lernprotokollen für möglich, mit deren Hilfe es gelingen kann, „gelernte pharmakologische Reaktionen zum Wohle chronisch Erkrankter einzusetzen“, heißt es in einer Mitteilung der Uniklinik Essen. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse des Forschungsprojekts jetzt in der Fachzeitschrift „Trends in Pharmacological Science“.
Aktivierung der „körpereigenen Apotheke“ als Therapieunterstützung
Eine gezielte und systematische Modulation der Lerneffekte könnte es ermöglichen, die Menge der verabreichten Medikamente kontrolliert zu reduzieren, die Menge an unerwünschten Nebenwirkungen zu verringern und dabei dennoch die therapeutische Effizienz aufrecht zu erhalten, so die Erwartung der Essener Mediziner. „Diese ‚Aktivierung der körpereigenen Apotheke‘ der Patienten könnte in vielen klinischen Situationen als unterstützende Therapiemaßnahme hilfreich sein“, lautet das Fazit des Essener Autorenteams.
Jung und stark wachsend: Das Wissen um gelernte pharmakologische Effekte
Das Wissen über die neurobiologischen Mechanismen dieser assoziativen Lernerfahrungen und wie sich die gelernten pharmakologischen Effekte gezielt im Rahmen von Behandlungen nutzen lassen, ist nach Angaben der Essener Uniklinik in jüngster Zeit enorm gewachsen.