Masern-Ausbrüche: Zu wenige Kleinkinder sind geimpft
Wie viele Kinder in Deutschland sind gegen Masern geimpft? Bislang fehlten Daten von der wohl wichtigsten Zielgruppe: den Kleinkindern. Diese sollten nämlich den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zufolge vor Vollendung des zweiten Lebensjahres zweimal gegen Masern geimpft werden. Eine aktuelle Studie des Versorgungsatlas der kassenärztlichen Vereinigungen hat nun wenigstens die Datenlücke geschlossen. Wie Wissenschaftler vom Versorgungsatlas am Mittwoch mitteilten, sind in Deutschland nur 37 Prozent aller Kleinkinder entsprechend den Empfehlungen STIKO gegen Masern geimpft.
Masern-Impfung: Bayern und Berlin und Schlusslichter
Allerdings zeigt die Studie große regionale Unterschiede auf. Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Bremen sind demnach die Schlusslichter auf der Ebene der Bundesländer. Traumquoten hingegen erreicht die Stadt Zweibrücken in Rheinland Pfalz. Hier erhalten dem Versorgungsatlas zufolge 94,8 Prozent der Kleinkinder vor ihrem zweiten Geburtstag die erste Masern-Impfung und über drei Viertel der Kinder die nicht minder wichtige Zweitimpfung. Die 33.000-Einwohner-Stadt erreicht damit zumindest bei der ersten Impfung knapp die Ziel-Quote der WHO von 95 Prozent. Diese Quote ist nötig, um die Masern bis zum Jahr 2015 europaweit auszurotten.
Doch dieses Ziel wird Deutschland auf absehbare Zeit wohl kaum erreichen. Bei der Zweitimpfung gegen Masern, die ebenfalls maßgeblich für den Impfschutz ist, erreicht kein einziger Ort in Deutschland nur annähernd die Ziel-Quote der WHO.
Warum es in einigen Regionen so gewaltige Impflücken gibt, darüber können die Wissenschaftler vom Versorgungsatlas nur spekulieren. Fehlende Informationen über die Bedeutung der zweiten Masern-Impfung scheinen für deren niedrige Quoten mitverantwortlich zu sein, vermuten die Wissenschaftlerinnen vom Versorgungsatlas. „Diese Impfung ist keine „Auffrischungsimpfung“, sondern sorgt dafür, dass jene drei bis fünf Prozent der Kinder, bei denen die erste Impfung nicht anschlägt, nach dieser zweiten Impfung dann doch noch eine Immunität aufbauen kann“, erklärt Maike Schulz. „Bezogen auf die Studienpopulation bedeutet dies, dass zwischen 14.000 und 23.000 Kinder, die eine Erstimpfung bekommen haben, bis zur Zweitimpfung nicht geschützt sind, obwohl die Eltern das denken.“
Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit
Die Studie bestätigt darüber hinaus andere Untersuchungen, denen zufolge die Impfmüdigkeit oder gar Impfskepsis bei Familien mit einem hohen sozioökonomischen Status besonders ausgeprägt ist. Insbesondere spielt die formale Bildung der Mütter eine Rolle: Die Impfwahrscheinlichkeit sinkt bundesweit mit steigender Quote hoch qualifizierter Mütter. „Diese Faktoren können die Unterschiede jedoch nur teilweise erklären“, sagt Dr. Mangiapane. „Auch der Einfluss regional unterschiedlich stark vertretener impfkritischer Ärzte, Heilpraktiker und Homöopathen wirkt sich vermutlich aus.“
Die Wissenschaftler weisen auch daraufhin, dass Masern keine harmlose Kinderkrankheit sind: An Masern sterben bis zu drei von 1.000 betroffenen Kindern. Insbesondere Kinder unter fünf Jahren und Erwachsene über 20 Jahren seien bei einer Infektion von Komplikationen betroffen. Umso fataler die un dokumentierten Impflücken: „Impflücken bei Kleinkindern können beispielsweise in Kindertagesstätten fatale Folgen haben, wenn die Infektion bei einem lokalen Masernausbruch eingeschleppt wird“, sagt Dr. Sandra Mangiapane, die Leiterin Versorgungsatlas.
Die Forscher vom Versorgungsatlas hatten in ihrer Studie die Daten von mehr als 550.000 Kindern ausgewertet, die im Jahr 2008 geboren wurden. Das sind 81 Prozent des gesamten Jahrgangs.
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