Mangelnde Therapietreue verbreitetes Phänomen

Patienten sind nicht immer von der Bedeutung der ihnen verordneten Therapie überzeugt – Foto: Alexander Raths - Fotolia
Ärzte und Patienten sind sich nicht immer einig, wie wichtig ein Medikament für die Behandlung ist. Auch die Schwere der Nebenwirkungen wird oft unterschiedlich beurteilt. Eine häufige Folge: Patienten nehmen ihre Medikamente nicht mehr ein, ohne dies ihrem behandelnden Arzt mitzuteilen. Und diese mangelnde Therapietreue („Compliance“) ist verbreiteter, als häufig gedacht wird. Nach Einschätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weisen sogar nur etwa 50 Prozent der Patienten eine gute Compliance auf. Dabei ist die Therapietreue besonders bei chronisch Kranken wichtig. Und es geht nicht immer nur um die Einnahme von Medikamenten, sondern auch um das Befolgen von Diäten oder Veränderungen des Lebensstils. Nun haben französische Forscher die genaueren Hintergründe für das Fehlen der Compliance untersucht.
Nebenwirkungen und Zweifel an der Wirksamkeit führen zum Therapieabbruch
Für ihre Studie haben die Wissenschaftler um Stéphanie Sidorkiewicz von der Université Paris Descartes 128 Patienten und deren Ärzte über die verordneten Medikamente befragt. Insgesamt nahmen die teilnehmenden Patienten 498 Präparate ein. Sowohl in Bezug auf die Bedeutung der Arzneimittel als auch auf die Therapietreue stimmten die Einschätzungen von Ärzten und Patienten nur schwach überein. Wurde der Grad der Compliance der Patienten mit der Wichtigkeit verglichen, die Ärzte einer Verordnung beimaßen, war der Unterschied besonders groß.
In der aktuellen Studie konnte gezeigt werden, dass fast 20 Prozent der verordneten und von den Ärzten als wichtig eingestuften Präparate von den befragten Patienten nicht korrekt eingenommen wurden. Darunter waren vor allem Herz-Kreislauf-Medikamente, Antidiabetika und Mittel gegen Atemwegserkrankungen. Fast jede fünfte dieser Arzneien wurde also falsch eingenommen. Manchmal waren die Gründe dafür Vergesslichkeit, Sorglosigkeit und das nicht rechtzeitige Besorgen neuer Medikamente. Doch in der Hälfte der Fälle geschah es nach Angaben der Patienten mit voller Absicht.
Als Gründe gaben die Patienten unter anderem an, dass es ihnen ohne die Tabletten bessergehe. Teilweise wurden zu starke Nebenwirkungen beklagt, aber auch bezweifelt, ob die Medikamente überhaupt wirkten. Nicht selten führte dies zur völligen Weigerung, die Arzneimittel noch weiter einzunehmen.
Kommunikation zwischen Arzt und Patient verbessern
Die Forscher betonen, dass Patienten und Ärzte häufig unterschiedliche Ziele haben. Während die Patienten meist in erster Linie ihre aktuellen Beschwerden loswerden wollen, versuchen die Mediziner häufig, die Folgen von chronischen Erkrankungen zu verhindern, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch gar keine Symptome verursachen. Daher müsse vor allem die Kommunikation zwischen Arzt und Patient verbessert werden, so die Forscher. Auch sollte besser abgewogen werden, welche Medikamente wirklich notwendig seien. Immerhin 13 Prozent ihrer Verordnungen schätzten die an der Studie beteiligten Ärzte als nicht besonders wichtig ein.
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