Mandeln entfernen - ja, nein oder nur teilweise?

Bei häufiger Angina reicht vielleicht eine Teilentfernung der Mandeln. Eine Studie untersucht das nun. – Foto: ©Alexander Raths - stock.adobe.com
Die Gaumenmandeln haben eine wichtige Funktion: Als Teil des Immunsystems fangen sie im Rachen Krankheitserreger ab, die sonst in den Körper eindringen würden. Dadurch wird auch das immunologische Gedächtnis trainiert. Doch die Mandeln können auch selbst von Entzündungen betroffen sein, was als Angina bezeichnet wird. Da die Bakterien in den Mandeln auch das Herz befallen können, ist eine Therapie mit Antibiotika angezeigt. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen kehren die Mandelentzündungen oft immer wieder.
Obwohl eine Mandelentzündung den Körper sehr schlaucht, warten Ärzte oft lange ab, bevor sie die Gaumenmandeln endgültig entfernen. Schließlich kommt es etwa bei fünf Prozent der Operierten zu Nachblutungen, die sogar lebensgefährlich werden können. Deswegen ist die Tonsillektomie immer mit einem stationären Aufenthalt verbunden. Hinzukommt, dass die Mandeln dann als Immunorgan ausfallen, weshalb der Eingriff in der Regel nicht vor dem sechsten Lebensjahr vorgenommen wird.
Reicht eine Teilentfernung der Mandeln bei häufiger Angina?
Eine andere, schonendere Möglichkeit ist eine Teilentfernung der Mandeln – die sogenannte Tonsillotomie. Der Eingriff kann ambulant erfolgen, geht mit einem geringeren Blutungsrisiko einher, weil weniger Gefäße verletzt werden und gilt als die Standardtherapie, wenn vergrößerte Mandeln die Atmung einschränken und zu Schlaf-, Schluck- und Sprechproblemen führen. Ob aber diese Operation gegen häufig auftretende Mandelentzündungen genauso nutzt wie die komplette Entfernung der Mandeln, ist bisher nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht.
Patienten werden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt
Ein Forscherverbund will diese Frage nun klären. Im Rahmen der TOTO-Studie sollen etwas mehr als 450 Patienten aus 20 Zentren, die mehrmals im Jahr an akuter Mandelentzündung leiden, aufgenommen werden, darunter Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Welche der beiden Operationsmethoden gewählt wird, entscheidet der Zufall. Die Auswahl nach dem Zufallsprinzip sei für die Aussagekraft des Studienergebnisses von zentraler Bedeutung, sie stelle aber für die Aufklärung der Patienten in den Studienzentren eine große Herausforderung dar, meint HNO-Arzt Prof. Orlando Guntinas-Lichius vom beteiligten Universitätsklinikum Jena. „Es ist wichtig zu vermitteln, dass der Zufall nicht entscheidet, ob die Patienten gut oder weniger gut operiert werden. Beide Verfahren, die Tonsillektomie und die Tonsillotomie, sind über viele Jahre bewährt, die beteiligten HNO-Chirurgen setzen sie täglich in der klinischen Routine ein. Es wird also kein neues operatives Verfahren erprobt – es geht um die Wirksamkeit gegen chronische Angina“, so Prof. Guntinas-Lichius.
Nach der Operation werden die Studienteilnehmer gebeten mit Hilfe einer App zu dokumentieren, wie oft sie unter Halsschmerzen leiden oder deswegen gar Antibiotika nehmen müssen und krank geschrieben sind. Die Randomisierung stellt sicher, dass sich eventuelle Unterschiede eindeutig auf die Operationsmethode zurückführen lassen.
Es geht um weniger Risiko bei gleicher Wirksamkeit
„Die Studie wird die wissenschaftliche Entscheidungsgrundlage herstellen, um diese häufige Erkrankung möglichst risikoarm und effektiv zu behandeln“, so Prof. Dr. Stefan Plontke, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, „sie ist damit aus Sicht der HNO-Heilkunde und der Patienten von großer Bedeutung.“
Anlass für die vergleichende Studie war ein Antrag der Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss, die Tonsillotomie als schonendere Operationsmethode gegen chronische Mandelentzündung zuzulassen und entsprechend in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen. Bislang zahlen Kassen bei häufig wiederkehrender Angina nämlich nur die komplette Entfernung der Mandeln.
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