Übergewicht wird immer öfter chirurgisch behandelt. Dabei wird entweder der Magen verkleinert, Magenbänder gelegt oder Teile des Dünndarms ausgeschaltet. Medienberichten zufolge soll sich Außenminister Sigmar Gabriel kürzlich einer Magenverkleinerung unterzogen haben – mit sichtbarem Erfolg. 10.000 solcher Adipositaschirurgischen oder auch bariatrischen Operationen werden hierzulande mittlerweile pro Jahr durchgeführt. Die meisten Betroffenen profitieren davon – physisch und psychisch. So zeigen Daten, dass viele Patienten langfristig 50 bis 60 Prozent ihres Übergewichts verlieren und sich Folgeerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Leiden oder Diabetes mellitus deutlich verbessern.
Erhöhtes Suizidrisiko nach Magenverkleinerung
Es gibt jedoch auch negative Effekte: Mehrere Studien deuten darauf hin, dass nach adipositaschirurgischen Eingriffen die Rate an Selbstmorden und selbstschädigendem Verhalten zunimmt. Ärzte für psychosomatische Medizin können sich das nur damit erklären, dass psychische Probleme bereits vor dem Eingriff bestanden. „Fettleibigkeit zieht nicht nur körperliche, sondern oft auch psychische Probleme wie etwa Depressionen nach sich“, sagt Prof. Martina de Zwaan von der Medizinischen Hochschule Hannover. Zwar ginge es den meisten Patienten kurz nach dem Eingriff besser, jedoch lasse diese sogenannte „Honeymoon-Phase“ manchmal schnell wieder nach. Anschließend könnten sich die psychischen Beschwerden sogar erheblich verschlimmern. „Dies reicht bis hin zu einem erhöhten Suizidrisiko“, betont die Fachärztin für Psychosomatische Medizin. Warum sich bei manchen Menschen die psychischen Beschwerden nach dem Eingriff verschlimmern und welcher Zusammenhang genau mit der bariatrischen Operation besteht, sei bislang noch nicht geklärt.
Die Seele mit behandeln
Nicht umsonst fordern die meisten Krankenkassen vor einer bariatrischen Operation ein psychologisches Gutachten. Doch nur die wenigsten werden im Nachhinein psychologisch betreut. Ärztin Zwaan sieht hier Änderungsbedarf. „Wichtiger als ein ‚Gate keeping‘ – also die Operation möglicherweise vorschnell und ungerechtfertigterweise zu verweigern – wäre, dass wir Patienten durch eine psychologische Betreuung besser dabei unterstützen, mit den einschneidenden Veränderungen, die sich aus einer solchen Operation ergeben, umzugehen.“
Menschen mit Alkohol- oder Drogensucht sowie instabilen psychopathologischen Zuständen wie Schizophrenie, Borderline oder bipolaren Störungen sollten sich keinem adipositaschirurgischen Eingriff unterziehen, solange die Erkrankung nicht therapiert ist, rät die Expertin. Magersucht sei ohnehin ein Tabu. Erst nach einer erfolgreichen Behandlung könne dann eine Neubewertung erfolgen. Dagegen seien psychische Erkrankung im Allgemeinen, Binge-Eating-Störung oder auch Missbrauch in der Kindheit keine Kontraindikationen. Laut Zwaan sollte aber bei allen Patienten grundsätzlich spielt eine psychosoziale Betreuung erfolgen - vor und nach der Operation.
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