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Luftverschmutzung verkürzt Lebenserwartung um knapp drei Jahre

Freitag, 6. März 2020 – Autor:
Neue Berechnungen zeigen: Luftverschmutzung führt jedes Jahr weltweit zu fast neun Millionen vorzeitigen Todesfällen. Damit bringen Feinstaub & Co. mehr Leute um als HIV oder das Rauchen.
Wissenschaftler: Luftverschmutzung ist eine stille Pandemie

Wissenschaftler: Luftverschmutzung ist eine stille Pandemie – Foto: ©Creativa Images - stock.adobe.com

Luftverschmutzung verringert die Lebenserwartung der Menschen im globalen Durchschnitt stärker als Infektionskrankheiten oder andere Herz-Kreislauf-Risikofaktoren wie beispielsweise Rauchen. Zu diesem Ergebnis sind Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Universitätsmedizin Mainz in einer Studie gelangt.

Die Berechnungen zeigen: Im Jahr 2015 verursachte Luftverschmutzung weltweit 8,8 Millionen vorzeitige Todesfälle. Dies entspricht einer durchschnittlichen Verkürzung der Pro-Kopf-Lebenserwartung von 2,9 Jahren. Im Vergleich dazu reduziert Rauchen die Lebenserwartung um durchschnittlich 2,2 Jahre (7,2 Millionen Todesfälle), HIV / Aids um 0,7 Jahre (1 Million Todesfälle), parasitäre und durch Vektoren – also durch Lebewesen wie Stechmücken oder Läuse – verursachte Krankheiten wie Malaria um 0,6 Jahre (600.000 Todesfälle).

„Luftverschmutzung übersteigt Malaria als Ursache für vorzeitigen Tod um den Faktor 19 und HIV / Aids um den Faktor 9“, sagt Prof. Dr. Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie und Erstautor der Studie. Er fügt hinzu: „Da die Auswirkungen auf die Gesundheit so enorm sind und die Bevölkerung weltweit betreffen, könnte man sagen, dass unsere Ergebnisse auf eine Luftverschmutzungspandemie hindeuten.“

Asien ist Hot-Spot für Luftverschmutzung

Am stärksten betroffen sind Ostasien und Südasien mit 35 Prozent bzw. 32 Prozent der vorzeitigen Todesfälle, gefolgt von Afrika (11%), Europa (9%). Nord- und Südamerika kommen zusammen auf 6 Prozent. Australien, wo die strengsten Luftreinhaltungsstandards gelten, hat mit 1,5 Prozent die niedrigste Sterblichkeitsrate.

In der Studie hatten die Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen einer Schadstoff-Exposition und dem Auftreten von Krankheiten untersucht. Mit einem atmosphärenchemischen Modell wurde die weltweite Belastung mit Schadstoffen, wozu vor allem Feinstaub und Ozon zählen, berechnet. Diese Daten wurden dann mit dem Global Exposure – Mortality Model, das auf epidemiologischen Kohortenstudien basiert, kombiniert.

Mithilfe dieser Daten wurden die Auswirkungen verschiedener Verschmutzungsquellen kalkuliert. Dabei differenzierten die Wissenschaftler zwischen Emissionen natürlichen Ursprungs, wie beispielsweise durch Waldbrände oder Wüstenstaub, und von Menschen verursachten Quellen wie beispielsweise der intensiven Nutzung fossiler Brennstoffe. Basierend auf diesen Ergebnissen haben die Wissenschaftler dann eine krankheitsspezifische Sterberate und den Verlust der Lebensjahre in allen Ländern der Welt berechnet.

5,5 Millionen vorzeitige Todesfälle vermeidbar

Nach diesen Berechnungen halten die Wissenschaftler fast zwei Drittel (5,5 Millionen) der durch Luftverschmutzung verursachten Sterbefälle, für grundsätzlich vermeidbar. Denn der Großteil verschmutzter Luft stammt aus dem Einsatz fossiler Brennstoffe. So schätzen die Forscher auch, dass die durchschnittliche Lebenserwartung weltweit um etwas mehr als ein Jahr steigen würde, wenn die Emissionen aus der Nutzung fossiler Brennstoffe wegfallen würden.

Gefäßschäden an erster Stelle

Den Wissenschaftlern zufolge wird frühere Sterbewahrscheinlichkeit insbesondere durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht. Atemwegserkrankungen stehen erst an zweiter Stelle.

„Wir verstehen mehr und mehr, dass Feinstaub in erster Linie Gefäßschäden und damit Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche begünstigt“, sagt Kardiologe Prof. Thomas Münzel von der Uni Mainz. Daher sollte Luftverschmutzung als kardiovaskulärer Risikofaktor in den Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie einen stärkeren Stellenwert bekommen als bisher.

Die Studie “Loss of life expectancy from air pollution compared to other risk factors by country” ist soeben im Fachjournal Cardiovascular Research erschienen.

Foto: © Adobe Stock/Creativa Images

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