„Luftdusche“ soll Schalterpersonal vor Corona schützen

Gleiches Prinzip, vergleichbare Konstruktion: So wie eine über dem Kopf aufgehängte warme Dusche vor kühler Badluft schützt, soll der Anti-Corona-Luftschirm des Fraunhofer-Instituts das Personal an Kassen, Schaltern oder Tresen vor infektiöser Umgebungsluft schützen. – Foto: ©torwaiphoto - stock.adobe.com
Früher saßen vor allem Bankangestellte hinter Glasscheiben – damit sie vor bewaffneten Raubüberfällen sicher sind. Seit wenigen Monaten sitzen so gut wie alle Menschen, die andere Menschen bedienen, hinter Plexiglas-Scheiben – diesmal, um sich vor einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus zu schützen. Doch möglicherweise wird deren Schutzwirkung überschätzt.
„Einen umfassenden Schutz bieten diese nicht, weil Viren mit der Luft auch hinter diese Abschirmungen gelangen können“, sagen Klimaexperten des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (IBP) in Holzkirchen bei München. Mitte Januar hat das IBP einen Prototypen einer mobilen Anti-Corona-Lüftungsanlage präsentiert: Wie eine Dusche lässt sie von oben virenfreie Luft auf exponierte Arbeitsplätze strömen und vertreibt damit potenziell infektiöse Luft zur Seite weg.
Wie ein Garten-Sonnenschirm an einem langen Arm
Beim Schutzhimmel handelt es sich laut IBP um ein handliches Luftfilter-Gerät von der Größe eines Raumluftbefeuchters, das auf Rollen leicht an den Arbeitsplatz bewegt werden kann. Das Gerät saugt Raumlauft an und filtert diese. Die gefilterte Luft wird dann über einen Schlauch zu einem Luftauslass geführt, der über dem Arbeitsplatz hängt – ähnlich einem modernen Ampelsonnenschirm, bei dem der Schirm an einem langen Arm befestigt ist. Bei dem Filter im Gerät handelt es sich um einen sogenannten High-Efficiency Particulate Air-Filter (HEPA), der so fein ist, dass er selbst Viren zurückhält.
Kein Umbau der Klimatechnik nötig, einfach in die Steckdose
Aus dem Luftauslass strömt die Luft schließlich wie aus einer Dusche herab. Dieser stete Luftstrom soll verhindern, dass Raumluft aus der Umgebung in den Arbeitsplatz einströmen kann. „Bei der Entwicklung des Gerätes war es uns wichtig, eine kleine handliche Anlage zu bauen, die sich über einen normalen Stecker mit Strom versorgen lässt“, sagt Victor Norrefeldt, Gruppenleiter Flug- und Fahrzeugklimatisierung am Fraunhofer IBP. „Wir müssen also nicht in die gesamte Gebäudesteuerung eingreifen, sondern schaffen eine einfache, individuelle Lösung.“
Knackpunkt: Wirksamer Luftstrom vs. angenehmes Arbeitsklima
Einen Knackpunkt hat die Sache allerdings noch: Einerseits darf der Luftstrom nicht für Zug sorgen, damit sich die Mitarbeiter nicht erkälten (und damit womöglich aus anderen Gründen krank werden). Ziel ist es, die Anlage so einzustellen, dass der Luftstrom nicht unangenehm zieht, aber dennoch stark genug ist, um die umgebende Raumluft abzuhalten. Hierfür wollen die Forscher den Schutzhimmel im Raumklimalabor des IBP weiter testen und einem Fein-Tuning unterziehen. „Wir können im Labor Luftströmungen erzeugen, mit einem Tracergas versehen und dann ermitteln, wohin die Luft strömt«, sagt Klimatechnik-Experte Norrefeldt. „Unser Ziel ist ein Schutzhimmel, der die Luft sicher abhält und dennoch ein angenehmes Arbeitsklima schafft.“
Coronavirus: Kontroverse um die beste Luftreinigung
Wiederholt wurde in den vergangenen Monaten kontrovers diskutiert, wie das Infektionsrisiko durch Raumluft in Innenräumen am besten gesenkt werden kann. Beim Test eines TV-Verbrauchermagazins des rbb zeigte sich: Viele Luftfiltergeräte für den Hausgebrauch, die von Herstellern als sichere Lösung angepriesen werden, halten nicht, was sie versprechen. Das Hauptproblem: Sie wälzen zu wenig Luft um. Eine Studie der TH Mittelhessen über die Coronavirus-Belastung in Klassenzimmern vom November ergab: Kostenloses Fenster-Stoßlüften über drei Minuten beseitigt bis zu 99 Prozent der Keime und ist um das 10- bis 80-Fache wirksamer als eine maschinelle Luftfilterung.
Foto: AdobeStock/ torwaiphoto