Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Langzeitüberleben nach Eierstockkrebs: Der Krebs bleibt lange im Kopf

Dienstag, 12. März 2019 – Autor:
Immer mehr Frauen überleben ihren Eierstockkrebs. Doch jede zweite Langzeitüberlebende sieht sich weiterhin als Krebspatientin. Krebsärzte fordern bessere Nachsorgekonzepte.
Eierstockkreb, Langzeitüberlebende

Einmal Eierstockkrebs gehabt, für immer Krebspatientin: Mehr als jede zweite Langzeitüberlebende leidet noch lange an den Folgen

Wie bei vielen anderen Krebserkrankungen steigt auch bei Eierstockkrebs die Überlebenswahrscheinlichkeit. Die Prognose hängt maßgeblich davon ab, ob die Frauen tumorfrei operiert werden konnten. Untersuchungen zeigen, dass dies an spezialisierten Zentren selbst bei fortgeschrittenem Eierstockkrebs zunehmend möglich ist. Das 5-Jahres-Überleben liegt hier inzwischen bei 60 bis 70 Prozent. So gibt es heute eine wachsende Gruppe von Langzeitüberlebenden nach Eierstockkrebs. Langzeitüberleben bedeutet in diesem Fall ein Überleben von mindestens acht Jahren nach der Diagnose.

Keine Nachsorgekonzepte, keine langen Nachbeobachtungs-Studien

Doch das Gesundheitssystem ist schlecht auf diese Patientinnen, die sogenannten „Cancer survivors“, vorbereitet. „Wir haben es mit einer wachenden Gruppe von Langzeitüberlebenden zu tun, für die es weder medizinische Nachsorgekonzepte gibt noch entsprechend lange Nachbeobachtungs-Studien“, erklärt der Direktor der Klinik für Gynäkologie am Charité Campus Virchow Klinikum und Benjamin Franklin.

Im Newsletter des Charité Comprehensive Cancer Centers kündigte der Berliner Eierstockkrebsspezialist an, eine interdisziplinäre Sprechstunde für Langzeitüberlebende einrichten zu wollen. Es sei wichtig, die Frauen länger zu begleiten, meinte Sehouli.

Eierstockkrebs prägt lange die Identität

Erste Datenauswertung aus der Studie „Carolin meets Hannah“, die den Ursachen für das Langzeitüberleben nach Eierstockkrebs nachgeht, zeigen: Jede zweite Langzeitüberlebende sieht sich weiterhin als Krebspatientin. Hinzukommt, dass bis zu 70 Prozent an diversen körperlichen Beschwerden leiden, darunter Lymphödeme, Fatigue und Depressionen. Außerdem entwickeln rund vier Prozent Zweittumore, also andere Krebserkrankungen die vermutlich mit der Behandlung zusammenhängen. Manchmal treten auch Spätrezidive noch nach Jahrzehnten auf. Bislang endet die Krebsnachsorge in der Regel nach fünf Jahren.

Deutsches Krebsforschungszentrum befasst sich mit Cancer Survivorship

Auch das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) hält das nicht mehr für zeitgemäß und fordert neue Konzepte zur Langzeit-Nachsorge für Krebs-Langzeitüberlebende. Dort gibt es inzwischen eine Arbeitsgruppe „Cancer Survivorship". Eine Umfrage im Rahmen der CAESAR-Studie unter 6.000 Langzeit-Krebsüberlebende ergab ein ähnliches Bild wie die Studie „Carolin meets Hannah“, bloß dass in diesem Fall Patienten mit allen möglichen Tumorerkrankungen befragt wurden. Danach betrachten sich etwa ein Drittel der Befragten auch 5 bis 15 Jahre nach der Diagnose noch als Krebspatienten. „Diese Selbstwahrnehmung ist im Zusammenhang mit vielerlei klinischen und psychosozialen Faktoren zu sehen, wie zum Beispiel körperlichen Belastungen durch Spätfolgen, Angst vor einem Rückfall und Beeinträchtigung der Lebensqualität“, berichtet der Leiter der Arbeitsgruppe Dr. Volker Arndt und Mitautor der Studie.

4,4 Millionen Deutsche leben mit oder nach Krebs

Die Ergebnisse der Befragung zeigten, wie wichtig für Langzeitpatienten die Aspekte individuelle Erfahrung und subjektive Wahrnehmung seien. „Beides sollte bei der Entwicklung von neuen Versorgungsmodellen unbedingt Berücksichtigung finden“, so Arndt. Allerdings seien Zuständigkeiten und Finanzierung bislang nicht geklärt.

Nach DKFZ-Angaben leben in Deutschland leben derzeit ungefähr 4,4 Millionen Männer und Frauen mit bzw. nach einer Krebserkrankung (sog. „Cancer Survivors"). Mehr als die Hälfte sind Krebs-Langzeitüberlebende, also Menschen, deren Krebsdiagnose mehr als fünf Jahre zurückliegt. Tendenz steigend.

Die Studie „Carolin meets Hannah“

Die Studie „Carolin meets Hannah“ will unterdessen herausfinden, welche Merkmale langzeitüberlebende Eierstockkrebspatientinnen von anderen unterscheiden. So werden im ersten Teil der Studie die rund 1.000 Teilnehmerinnen ausführlich nach ihren Lebensgewohnheiten, ihren Begleiterkrankungen und ihren vorausgegangenen medizinischen Behandlungen befragt. Im zweiten Teil erfolgen umfangreiche körperliche Untersuchungen an der Charité. Noch wissen die Ärzte wenig, außer dass es tendenziell jüngere Frauen sind und die Qualität der Behandlung beim Langzeitüberleben eine große Rolle spielt.

Foto: pixabay

Hauptkategorien: Berlin , Gesundheitspolitik , Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Eierstockkrebs , Nachsorge

Weitere Nachrichten zum Thema Eierstockkrebs

Aktuelle Nachrichten

Mehr zum Thema
Wie kann man die Überlebenschancen bei Bauchfellkrebs verbessern? Die Expertin Professor Beate Rau, Leiterin des Peritonealkarzinosezentrums der Charité, berichtet über eine neue Kombinationstherapie gegen Bauchfellkrebs und wie Patienten davon profitieren können.
Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin