Langzeitstudie: Kein Freibrief für den Alkohol
Wenn man 380.000 Menschen über 30 Jahre beobachtet, findet man bemerkenswerte Dinge. Die so genannte EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) ist so eine Studie. Wissenschaftler werteten die Daten von 111.953 europäischen Männern und 268.442 Frauen aus acht Ländern aus. Sie wollten wissen: Wie wirkt sich der Alkoholkonsum auf die Gesundheit und das Sterberisiko aus. Das Ergebnis klingt zunächst verblüffend. Nach den Studiendaten hatten Teilnehmer, die seit ihrem 20. Lebensjahr durchschnittlich täglich ein bis zwei Gläser Alkohol konsumierten, ein um rund neun bis 14 Prozent vermindertes Sterberisiko im Vergleich zu Viel- oder Wenigtrinkern. Dies galt insbesondere bei den Herz-Kreislauf-Todesursachen; allerdings nur für die Teilnehmer, die zu Beginn der Studie keine Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder Krebs aufwiesen und nie zuvor einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten hatten.
Ehemalige Vieltrinker haben höheres Sterberisiko
Ein Freibrief für den Alkohol ist dies dennoch nicht. Die Studie zeigte nämlich auch, dass ehemalige Vieltrinker nicht von einem Überlebensvorteil profitierten, auch wenn sie zu Studienbeginn nur noch ein bis zwei Gläser Alkohol pro Tag tranken. In dieser Gruppe erhöhte sich etwa das Risiko, an bestimmten alkoholbedingten Todesursachen zu sterben, um das siebenfache.
„Wir konnten in unserer Studie beobachten, dass Menschen, die lebenslang nur moderate Mengen Alkohol zu sich nehmen, generell ein vermindertes Sterberisiko haben, was besonders deutlich bei den Herz-Kreislauf-Todesursachen zu sehen ist“, kommentiert Manuela Bergmann vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) die Ergebnisse. „Da wir diesen günstigen Zusammenhang aber nur bei Menschen beobachteten, die zu Beginn der Studie gesund waren und auch in ihrer Vergangenheit nie zu den Vieltrinkern zählten, gehen wir eher von keinem kausalen Zusammenhang aus.“
„Alkohol ist nicht die Ursache für Gesundheit“
Verschiedene Studien hatten in der Vergangenheit indes darauf hingedeutet, dass das Gläschen Wein vor Herz-Kreislauferkrankungen schützt. Diesen Zusammenhang will auch Bergmanns Kollege Heiner Boeing nicht bestätigen. „Vielmehr bestärken unsere Ergebnisse die Vermutung, dass gesunde Menschen Alkohol in moderaten Mengen ohne größere nachteilige Folgen für ihre Gesundheit verkraften, der Alkohol aber nicht die Ursache für ihre Gesundheit ist.“
Gesundheitsorganisationen, darunter die American Heart Association, halten derzeit ein Glas Alkohol (12 Gramm Alkoholgehalt) für Frauen akzeptabel, bei Männern sind es zwei Gläser (24 Gramm). Als Wenigtrinker wurde eingestuft, wer weniger als zwei Gramm Alkohol am Tag konsumiert. Als Vieltrinker, wer die Menge von 60 Gramm Alkohol am Tag überschreitet.
Während männliche Vieltrinker eher einen niedrigen Bildungsstand hatten, war es bei Frauen genau umgekehrt. Die Vieltrinkerinnen waren in der Regel jünger, rauchten und hatten seltener Kinder.