Künstliche Befruchtung: Kein erhöhtes Risiko für Frühgeburt

Kinderwunschbehandlung weniger risikoreich als bislang gedacht
Wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt, kann eine künstliche Befruchtung die Lösung sein. Im Jahr 2016 machten in Deutschland 63.000 Frauen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Allerdings warnen Ärzte häufig davor, dass der medizinische Eingriff das Risiko für niedriges Geburtsgewicht (weniger als 2.500 Gramm) oder eine Frühgeburt (vor der 37. Schwangerschaftswoche) steigert. Die Warnung stützt sich auf frühere Studien, die einen solchen Zusammenhang festgestellt hatten. Allerdings war diese Ergebnisse mit einigen Unsicherheiten behaftet.
Studie mit über 1.000 Geschwisterpaaren
Nun gibt es eine neue Untersuchung von finnischen und deutschen Demografieforschern, in der eine große Zahl finnischer Geschwister analysiert worden sind. Dabei konnte gezeigt werden, dass eine künstliche Befruchtung nicht das Risiko für derartige Geburtsrisiken steigert. Die Ergebnisse wurden im Januar im Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlicht.
„Paare mit bisher unerfülltem Kinderwunsch müssen sich nicht mehr gegen eine künstliche Befruchtung entscheiden, weil sie dadurch vermeintlich die Geburtsrisiken für ihr Kind erhöhen“, sagt Studienautor Mikko Myrskylä, Direktor des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock.
Risiko für Frühgeburt aus anderen Gründen erhöht
Die gute Nachricht wird jedoch ein wenig getrübt: Denn das Risiko für geringeres Geburtsgewicht und Frühgeburt ist nach einer Kinderwunschbehandlung größer als nach einer Zeugung auf natürlichem Weg. Den Forschern zufolge liegt das aber nicht an der künstlichen Befruchtung selbst. Paare mit Empfängnisproblemen seien diesem Risiko generell ausgesetzt – unabhängig davon, auf welchem Weg das Kind letztendlich gezeugt wurde. Über die Gründe können die Forscher nur spekulieren. „Vermutlich spielt die reduzierte Fruchtbarkeit selbst eine Rolle“, sagt Alice Goisis, MPIDR-Mitautorin der Studie.
Kinderwunschbehandlung nicht riskant
Wodurch auch immer – die Ergebnisse der neuen Lancet-Studie, geben den Eltern immerhin die Rückversicherung, dass sie durch die künstliche Befruchtung ihrem Kind jedenfalls nicht schaden. „Es spielt psychisch eine große Rolle für betroffene Paare, ob sie für ihre Kinder ein erhöhtes Risiko in Kauf nehmen müssen, an dem sie ohnehin nichts ändern können, oder ob sie die Gefahr für ihre Kinder willentlich steigern“, so Goisis. Die Abwägung dafür oder dagegen könne nun unbelastet und sozusagen „ohne schlechtes Gewissen“ getroffen werden.
Worauf basieren die aktuellen Studienergebnisse?
MPIDR-Wissenschaftler hatten zusammen mit Forschern der London School of Economics und der Universität Helsinki Daten aus dem staatlichen Register Finnlands genutzt. Aus über 65.000 in den Jahren 1995 bis 2000 geborenen Kindern wählten sie 1.245 Geschwister aus, von denen jeweils mindestens eins natürlich und eins künstlich gezeugt worden war. Da die Eltern sich von einer Geburt zur nächsten kaum verändert hatten, erlaubte der Vergleich der Geschwister die Geburtsrisiken allein mit Blick auf den Eingriff der künstlichen Befruchtung zu unterscheiden. Denn dieser war der einzige wesentliche Unterschied zwischen den Geburten. Im Ergebnis verschwanden die zusätzlichen Risiken durch künstliche Befruchtung sowohl für niedriges Geburtsgewicht als auch für Frühgeburt. Die von den Forschern angewandte „Geschwister-Methode“ ist ein anerkanntes Verfahren, um Ursachen für gesundheitliche Risiken verlässlich zu bestätigen oder auszuschließen. In Deutschland wäre die Untersuchung nicht möglich gewesen, da es eine staatliche Datenbank wie in Finnland nicht gibt.
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