Krisen verschlechtern Gesundheit von Eltern und Kindern

Ein gutes Familienklima kann Eltern und Kindern dabei helfen, mit äußeren Krisen besser fertigzuwerden. Wichtig für eine gute Eltern-Kind-Beziehungen sind Rituale wie das tägliche gemeinsame Essen. – Foto: Spectral-Design
Familien in Deutschland geht es 2022 schlechter als vor vier Jahren. Das ist ein zentrales Ergebnis der AOK-Familienstudie, für die von August bis Oktober dieses Jahres 8.500 Mütter und Väter befragt wurden. Erhoben wurden die körperliche und psychische Gesundheit von Eltern und Kindern, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten sowie Belastungsfaktoren und deren Auswirkungen auf das Familienleben.
Gute oder sehr gute Gesundheit: Nur noch bei 64 Prozent der Eltern
Ein „Trendumkehr zum Negativen“ beobachten die Autoren der jetzt vorgelegten AOK-Familienstudie. So hat sich im Vergleich zu 2018 der Gesundheitszustand der Eltern um zwölf Prozentpunkte verschlechtert. Nur noch 64 Prozent der befragten Eltern schätzen ihren Gesundheitszustand selbst als „gut“ und „sehr gut“ ein. Im Vergleich zur AOK-Familienstudie 2018 sind die Belastungsfaktoren der Eltern gestiegen. Der größte Ausschlag ist bei den finanziellen Belastungen zu verzeichnen mit einem Anstieg um 13 Prozentpunkte auf 40 Prozent. Die psychischen Belastungen sind um sieben Prozentpunkte auf 34 Prozent gestiegen.
Dauerhafte psychosomatische Probleme bei Kindern nehmen zu
Die zunehmenden Belastungen und die schlechtere Elterngesundheit haben direkten negativen Einfluss auf die Kindergesundheit, was sich wiederum in einer schlechteren gesundheitsbezogenen Lebensqualität sowie dauerhaften psychosomatischen Beschwerden bei den Kindern zeigt. Knapp ein Drittel der Kinder sind in ihrem seelischen Wohlbefinden beeinträchtigt. Zudem haben wichtige Schutzfaktoren wie gemeinsame Rituale abgenommen, wodurch die Widerstandskräfte der Familien geschwächt werden.
„Ein gutes Familienklima kann Belastungen auffangen. Die Kinder profitieren gesundheitlich von einer guten Beziehung der Eltern zu ihnen, von der Sicherheit der Eltern und Ritualen wie dem täglichen gemeinsamen Abendessen“, sagt Ulrike Ravens-Sieberer, Forschungsdirektorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).
Gesundheit verschlechtert sich besonders bei Alleinerziehenden
Gesundheit hat auch mit Wohlstand und Bildungsgrad zu tun. Von fast allen abgefragten Befunden überdurchschnittlich betroffen sind der AOK-Familienstudie zufolge besonders Alleinerziehende sowie Eltern mit einem niedrigen sozioökonomischen Status. So sind beispielsweise Kinder aus solchen Familien seltener in einem Sportverein aktiv und können häufiger nicht schwimmen.
„Sozial schwache Familien in strukturschwachen Regionen brauchen eine möglichst frühe verlässliche Ganztagsbetreuung der Kinder“, fordert deshalb Carola Reimann, die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands. Gesundheitsbildung müsse bereits in der Kita beginnen und in der Schule fortgeführt werden. „Wenn künftig soziale und gesundheitliche Fragen nicht enger miteinander gedacht werden, sind die gesellschaftlichen Folgekosten immens“, so die Prognose der AOK-Chefin.
Viele Eltern mit „problematischer Ernährungskompetenz“
Wie die AOK-Familienstudie zeigt, ist das Wissen um gesunde und klimafreundliche Ernährung offenbar in vielen Familien noch immer nicht angekommen. 43 Prozent der Eltern verfügten über eine „inadäquate oder problematische Ernährungskompetenz“, heißt es wörtlich in der Studie. Mit „Ernährungskompetenz“ ist beispielsweise gemeint: Das Wissen darum, dass der hohe Anteil an stark verarbeiteten Produkten, Zucker und rotem sowie verarbeitetem Fleisch in der Ernährung dafür mitverantwortlich ist, dass immer mehr Menschen am Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen leiden. Oder dass – umgekehrt – eine stärker pflanzenbasierte Ernährung mit mehr Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen der Weg zu mehr Gesundheit in den Familien ist – und dabei unseren Planeten schützt.
Unwissen von Eltern fördert Übergewicht bei Kindern
Die Studienautoren sehen einen klaren Zusammenhang zwischen hier vorhandenen Wissensdefiziten und einer vermehrten Fettleibigkeit unter Kindern. Ein kurios anmutendes Ergebnis der Studie ist: 38 Prozent der Befragten glauben gar, dass eine klima- und umweltfreundliche Ernährung „nicht gesund“ sei.
„Unsere aktuelle Ernährungsweise schadet unserer Gesundheit und dem Klima. Sie führt dazu, dass wir die Bewohnbarkeit unseres Planeten zerstören. Das hat schon heute massive Auswirkungen auf unsere Gesundheit“, sagt Martin Herrmann, Vorstandsvorsitzender der „Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit“ (KLUG). Dies spiegle auch die AOK-Familienstudie wider. So schätzten zwar 80 Prozent aller befragten Familien den Einfluss der Ernährung auf Klima und Umwelt als bedeutsam ein. Aber diese Erkenntnis in konkretes und verantwortliches Handeln im Alltag umsetzen – daran hapere es noch.