Krise an der Charité - trotz schwarzer Zahlen
Die Charité hat in 2013 ein Plus von 1,6 Millionen Euro erwirtschaftet, wie ihre Pressestelle am Montag mitteilte. Das Ergebnis sei ohne Sondereffekte aus der Auflösung von Drittmittel-Verbindlichkeiten, heißt es mit Blick auf die umstrittenen Forschungsgelder. Damit kann Europas größtes Universitätsklinikum nun zum dritten Mal in Folge ein positives Jahresergebnis vorlegen. Der Vorstandsvorsitzende der Charité Prof. Dr. Karl Max Einhäupl sieht die positive Jahresbilanz als Beweis dafür, „dass unsere Maßnahmen greifen und wir nachhaltig wirtschaften“. Und der Klinikumsdirektor und Finanzvorstand Matthias Scheller meint, das Ergebnis sei angesichts der insgesamt schwierigen finanziellen Situation der Uniklinika in Deutschland keine Selbstverständlichkeit. In Deutschland schließt derzeit nur noch ein Drittel der rund 30 Universitätsklinken mit einem positiven Jahresergebnis ab.
Schwarze Zahlen, hart erkauft?
Hinter den Kulissen mehren sich jedoch kritische Stimmen, die schwarze Zahl sei mit einem extrem harten Sparkurs erkauft. Gespart werde an allem - vom Personal bis hin zum Nahtmaterial. Das schrecke auf Dauer Weltklassespieler ab. Insider beklagen außerdem, dass jedwede Proteste gegen den Sparkurs verpufften. Ob der Charité dadurch nun der Abstieg droht, wie manche Mitarbeiter befürchten, oder Berlins Universitätsmedizin weiter in der oberen Liga spielen wird: Ziemlich sicher dürfte sein, dass auch bei dem Streit um die 34,7 Millionen Euro Drittmittel das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Bei den Geldern handelt es sich um Bundesmittel für die Forschung, über deren Verwendung laut Charité-Vertrag ausschließlich die Fakultät entscheiden darf. Am Montag hatte die Charité allerdings offiziell erklärt, künftig werde der Vorstand – der aus Fakultät und Klinikum besteht - gemeinsam über die Verwendung von Drittmitteln entscheiden. Kritiker sehen darin einen eindeutigen Rechtsbruch.
Das ist besonders delikat, denn inzwischen sind die Verteilungskämpfe zwischen Klinikum und Fakultät offensichtlich. Einige Professoren der Charité behaupten, das Klinikum habe sich die 34,7 Millionen Euro Forschungsmittel für die Sanierung des Bettenhochhauses unter den Nagel reißen wollen, weil es hier kostspielige Fehlplanungen gegeben habe. Das wäre allerding streng gegen die Regeln: Forschungsmittel dürfen weder für die Krankenversorgung noch für andere forschungsfremde Zwecke ausgegeben werden. Außerdem beklagen Forschungsgruppenleiter, derzeit hätten sie praktisch keinen Zugriff mehr auf die ihnen zustehenden Forschungsgelder. Die Konten, die der Öffentlichkeit als schwarze Konten verkauft worden seien, seien auf Null gesetzt. „Der Einzige, der die Bundeszuwendungen fundiert für die Fakultät verteidigen konnte, war deren kaufmännischer Leiter, daher wurde er suspendiert. Jetzt ist auch die Dekanin dran“, sagte ein Professor anlässlich des angekündigten Rücktritts von Charité Dekanin Annette Grüters-Kieslich.
Die Dekanin gilt bei vielen als Bauernopfer
Grüters-Kieslich hatte am Montag ihren Rücktritt zum Jahresende angekündigt. Unter ihrer Führung und des bereits suspendierten kaufmännischen Leiters Gerritt Fleige wurden Forschungsmittel des Bundes in Höhe von knapp 35 Millionen Euro als Verbindlichkeiten gebucht, weil diese Mittel tatsächlich für die Forschung ausgegeben werden sollten. Nach jahrelanger Duldung hat das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Rödl und Partner diese Praxis aber Anfang des Jahres plötzlich nicht mehr durchgehen lassen. In den Medien war daraufhin von schwarzen Konten die Rede. Für den Skandal hat der Aufsichtsrat hauptsächlich Grüters-Kieslich verantwortlich gemacht, die nach Fleige nun nach Ansicht von Insidern „das nächste Bauernopfer in der Affäre ist.“
Inzwischen hat die Charité die Forschungsmittel als Gewinnrücklage verbucht. Die angesparten Mittel sollen nach Charité Informationen zwar in den nächsten Jahren rechtmäßig ausschließlich für Forschungsprojekte ausgeben werden. Forscher sehen in der Umbuchung von der Soll- auf die Habenseite allerdings ein weiteres Problem: Solange eine Klinikum solche Rücklagen hat, darf es eigentlich keine weiteren Zuwendungen vom Bund erhalten. Der Streit um die Bundesmittel dürfte also am Ende ziemlich teuer für die Wissenschaft werden und auch mit dem Rücktritt der Dekanin noch lange nicht beendet sein.
Foto: Charité