Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerzmitteln: Neue Leitlinie erschienen
Von chronischem Kopfschmerz bei bzw. durch Übergebrauch von Medikamenten sprechen Ärzte, wenn Patienten mit vorbestehenden primären Kopfschmerzen wie zum Beispiel Migräne oder Spannungskopfschmerzen über einen Zeitraum von drei Monaten an mindestens 14 Tagen im Monat Analgetika oder an mehr als neun Tagen im Monat Migränemittel (Triptane oder Mutterkornalkaloide), Opioide oder Schmerzmittelkombinationen einnehmen. „Die meisten Patienten ahnen nicht, dass Schmerztabletten die Schmerzursache sein können“, erklärt Prof. Hans-Christoph Diener von der Universitätsklinik für Neurologie in Essen und Kopfschmerzexperte der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Umso wichtiger sei es, dass Kopfschmerzspezialisten, Neurologen, Schmerztherapeuten, Schmerzpsychologen, Hausärzte und Apotheker über das Risiko aufklären und wirksame Behandlungsalternativen aufzeigen.
Kopfschmerzen aktiv vorbeugen
Menschen mit häufigen Kopfschmerzen sollten vorbeugend aktiv werden, um nicht in einen Teufelskreis von Schmerzen und Medikation zu geraten, empfehlen die DGN und die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) in ihrer gemeinsamen neuen Leitlinie zur Diagnose und Therapie des Kopfschmerzes durch Übergebrauch von Schmerz- und Migränemitteln. „Unkomplizierte Migräne oder Kopfschmerz vom Spannungstyp können Patienten vielfach selbst behandeln. Allerdings sollten sie nicht häufiger als an zehn Tagen pro Monat Schmerztabletten einnehmen“, so PD Dr. Stefanie Förderreuther, Präsidentin der DMKG. Eine gezielte Prävention senke den Bedarf an Schmerzmitteln. Mit ärztlicher und gegebenenfalls psychotherapeutischer Hilfe könnten die meisten Patienten ihre Kopfschmerzen in den Griff bekommen, so die Neurologin.
Leitlinie empfiehlt dreistufiges Vorgehen
Weltweit sind schätzungsweise 0,7 bis ein Prozent der Bevölkerung von Kopfschmerzen durch Übergebrauch von Schmerz- und Migränemitteln betroffen, in Deutschland also mindestens eine halbe Million Menschen. „Das Krankheitsbild ist häufiger bei Frauen, bei Patienten mit Depressionen, Angsterkrankungen oder anderen chronischen Schmerzen, wie z.B. Rückenschmerzen“, so Prof. Diener, der die Leitlinienarbeit gemeinsam mit PD Dr. Charly Gaul und Prof. Peter Kropp, beide von der DMKG, koordiniert hat.
Bei der Therapie wird ein dreistufiges Vorgehen empfohlen, wie PD Dr. Charly Gaul, Generalsekretär der DMKG, erläutert: „Die erste Maßnahme sollte stets in der Schulung und Beratung von Patienten liegen, mit dem Ziel, die Einnahme von Akutmedikamenten zu reduzieren. Der zweite Schritt ist eine medikamentöse Prophylaxe der zugrunde liegenden Kopfschmerzerkrankung. Wirkt diese Therapie nicht, sollte als dritter Schritt eine Medikamentenpause angestrebt werden. Dieser Entzug kann je nach Konstellation ambulant, tagesklinisch oder stationär durchgeführt werden.“
Prophylaxe kann helfen
Damit Kopfschmerzen durch zu viele Medikamente gar nicht erst entstehen, raten die Experten zu einer konsequenten vorbeugenden Behandlung. Neben Medikamenten helfen Ausdauersport, Entspannung und Stressmanagement, Kopfschmerzattacken vorzubeugen. „Auch die Verhaltenstherapie hat sich in der Prophylaxe als wirksam erwiesen", so Prof. Peter Kropp, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Rostock.
Diese Möglichkeiten der Prävention würden jedoch längst nicht ausgeschöpft, bedauert Stefanie Förderreuther. „Viele Patienten wissen schlicht nicht, dass man vorbeugend gegen Kopfschmerzen vorgehen kann.“ Dabei könne mit einer leitliniengerechten Therapie den meisten Kopfschmerzpatienten geholfen werden, erklärt die Ärztin. Selbst ein Kopfschmerz durch Übergebrauch von Akutmedikamenten sei behandelbar und keine Sackgasse.
Foto: Bayer Healthcare