Kommunale Kliniken im Spagat zwischen Versorgung und Wettbewerb
Sonntag, 21. September 2014
– Autor:
Cornelia Wanke
Wie können es kommunale Kliniken schaffen, sich im Spannungsfeld zwischen Versorgungsauftrag und Wettbewerb einen festen Stand zu verschaffen? Darüber diskutierten vor kurzem in Potsdam Politik, Vertreter der Leistungserbringer und Kostenträger mit Experten aus der Wirtschaft.
Leere Kassen - arme Kliniken? In der stationären Versorgung sind strukturelle Veränderungen gefordert.
– Foto: Photograph © Spotmatik
Zu einem Austausch der Praktiker hatten das Wirtschafts- und Steuerberatungsunternehmen RoeverBroennerSusat sowie Dombert Rechtsanwälte in die IHK Potsdam eingeladen – und die Gäste nahmen an Ende viele hilfreiche Hinweise und gute Beispiele mit ins eigene Unternehmen. Die Gesundheitspolitik sei normalerweise nur dazu in der Lage „wünschenswerte Prozesse anzustoßen“, sagte Thomas Barta, Abteilungsleiter im Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg gleich zu Beginn der Veranstaltung. Nur die stationäre Versorgung sei eine originäre Aufgabe der Länder und Kommunen. Dies sei gleichzeitig eine immense Herausforderung aber auch eine große Chance. Schließlich geben es auch einen guten Grund, warum die Daseinsvorsorge den kommunalen Kliniken obliege,: „Denn sie sind eher vom Gedanken des Gemeinwohls geprägt als die privaten Träger“, so Barta. Diese Aufgabe der kommunalen Kliniken in der Infrastruktur der Städte und Gemeinden gelte es zu bewahren: „Die Gesundheitspolitik eines Landes sollte sich deshalb auf diese Stärken besinnen.“ Der Abteilungsleiter im Ministerium plädierte für eine verstärkte Zusammenarbeit der kommunalen Kliniken. Das solle auch in die künftige Krankenhausplanung einfließen.
Wollen kommunale Kliniken kooperieren, dann müssen sich auch die Bürgermeister einig sein!
Dr. Bert Franke und Ingo Fehlberg, beide Partner bei RoeverBroennerSusat (RBS) hoben zwei Punkte hervor, die zentral bei Kooperationen seien: die betriebswirtschaftliche (positive) Bewertung einer Zusammenarbeit – und der politische Wille. „Das ist wie in einer Ehe: Bei einer Zusammenarbeit trifft man keine Entscheidung mehr allein“, so Fehlberg. Franke und Fehlberg stellten verschiedene Modelle von Kooperationen vor und bewerteten diese nach Organisationsgrad und Skaleneffekten. Die RBS-Partner wiesen darauf hin, dass sich die Kliniken im Wettbewerb strategische Partner suchen müssten – „und zwar am besten in einer Situation der Stärke – und nicht erst dann, wenn es brennt.“ Schließlich seien zwei Themen für die Zukunftsfähigkeit einer Klinik maßgeblich: Wirtschaftlichkeit und Qualität.
Auf die besondere rechtliche Situation ging Dr. Dominik Lück von der Anwaltskanzlei Dombert ein: Eine Zusammenarbeit von kommunalen Kliniken bedeute nicht nur, dass sich die Kliniken untereinander einigen müssten – sondern auch die Kommunen und damit die Bürgermeister. „Das kann mitunter ein Hemmnis sein.“ Verschiedene Bundesländer hätten hier auch unterschiedliche Regelungen: Während in Nordrhein-Westfalen beispielsweise jede Klinik, die bereits in den Landeskrankenhausplan aufgenommen ist, grundsätzlich berechtigt sei Kooperationen einzugehen, sei der Gestaltungsspielraum in Brandenburg noch sehr eng, klärte Lück auf.
Janko Geßner, Fachanwalt für Verwaltungsrecht (Dombert Rechtsanwälte) führte aus, dass mit der neuen EU-Richtlinie zum Vergaberecht einige Veränderungen greifen würden. Damit würden auch einige vergaberechtliche Fragen klargestellt. Unter anderem würde es für öffentliche Auftraggeber leichter, mit anderen öffentlichen Auftraggebern zusammen zu arbeiten. Auch sei die Inhouse-Vergabe eine Möglichkeit, das Vergaberecht zu umgehen. Die spannende Frage, ob das Kartellrecht ein Stolperstein für kommunale Kliniken sei, beantwortete Dr. Tatjana Ellerbrock (RBS). Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sei eindeutig auch auf Fusionen von kommunalen Kliniken anwendbar – „da macht das GWB leider keine Unterscheidungen in der Trägerschaft“, so Ellerbrock. Jedoch gebe es hierzu einen Vorstoß der kommunalen Kliniken. Darüber hinaus greife eine Fusionskontrolle erst ab einem Schwellenwert von 500 Mio. Euro. Deshalb riet die Juristin zu einem Hintergrundgespräch mit dem Bundeskartellamt noch vor der Anmeldung der Fuisn: „Nach unseren Erfahrungen kann man dort eine geplante Fusion sehr fundiert vorbesprechen“, so Ellerbrock.
Kommunale Kliniken mehr als wettbewerbsfähig
Ein positives Beispiel für eine gelungene kommunale Klinikkooperation stellte Steffen Grebner, Geschäftsführer des Klinikums Ernst von Bergmann in Potsdam vor. Grebner hat das Klinikum auf dem Weg „vom Krankenhaus zum Gesundheitspark und dem größten Klinikum in Westbrandenburg“ begleitet und bekräftigt: „Wichtig war nicht nur die Stärkung unserer Einrichtung als Maximalanbieter – sondern auch die Markenbildung.“ Neben der stationären Versorgung findet man auf dem Gelände des Klinikums nun auch Präventionsangebote, Gesundheitszentren und Hotellerie. Strategisches Ziel sei es, überregionales Wachstum durch Zukäufe in Mittelzentren zu generieren. Grebners Ziel in der Versorgung: „Ich möchte bei den elektiven Krankheitsbildern in einem Atemzug mit der Buch oder der Charite´ genannt werden.“
Lob gab es dafür nicht nur von Jens Hennicke, Leiter der Landesvertretung Sachsen-Anhalt der TK: „Ich finde das klasse, wie Sie das gemacht haben“, sagte Hennicke und fügte hinzu: „Wir brauchen die kommunalen Kliniken.“ Die Kassen hätten dort, wo nur noch private Krankenhausträger die Versorgung bestimmen, kaum noch Steuerungsmöglichkeiten. „Verkaufen Sie also als Kommune Ihre Häuser nicht“, riet er. Jedoch bedürfe es einer grundsätzlichen Neuordnung im stationären Sektor: „Ohne Mut zu echten strukturellen Veränderungen wird es nicht gehen“, so Hennicke. Es müsse eine Neudefinition des Begriffes wohnortnahe Versorgung geben. Das neue Credo laute hier: „Alles für jeden – aber nicht mehr überall und durch jeden.“
Die anschließende Diskussionsrunde fasste Mitorganisator Prof. Dr. Matthias Dombert so zusammen: „Die Tatsache, dass wir heute so lange und intensiv über die Zukunft der kommunalen Kliniken diskutiert haben, zeigt, dass wir sie brauchen. Jetzt bedarf es nur noch guter Ideen, innovativer Ansätze und Experten, die diese gemeinsam verwirklichen.“
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