Knappe Intensivbetten: Intensivmediziner Janssens kritisiert Ende der epidemischen Notlage

Außer Betrieb: In Deutschland gibt es jetzt 4.000 Intensivbetten weniger als zu Jahresbeginn – Foto: © Adobe Stock/ thauwald-pictures
Das Ende der epidemischen Notlage von nationaler Tragweite gilt als beschlossene Sache: SPD, FDP und Grüne haben gegen eine Verlängerung des Ausnahmezustands gestimmt. Damit habe die Politik ein "unkluges Signal" gesetzt, kritisierte der ehemaligen Präsidenten der Intensivmediziner-Vereinigung Divi, Prof. Uwe Janssens. „Das hat das Gefühl erzeugt, es ist vorbei“, sagte er dem Sender Phoenix. Doch das sei nicht der Fall, und dass vier von fünf Deutschen geimpft seien, wie Spahn behaupte, könne man so einfach nicht sagen. „Wir haben Impfdurchbrüche, die werden zunehmen, weil die Wirkung der Impfungen nachlässt. Es sind so viele Punkte, die dagegen sprechen, dass wir in eine beruhigte Zone einbrechen“, sagte Janssens.
Zahl der Freien Betten schrumpft
Der Chefarzt der Klinik für internistische Intensivmedizin in Eschweiler verwies in diesem Zusammenhang auf die steigenden Infektionszahlen. Es sei eine Frage der Zeit, der Wochen, bis sich das Bild auch nach Norddeutschland, in andere Gebiete, die im Augenblick noch nicht betroffen seien, vorarbeite. „Das setzt uns wirklich unter enormen Druck", sagte er. „Das Problem ist die Anzahl der freien Betten. Die sind zum Teil unter zehn Prozent. Das setzt uns vor enorme logistische Herausforderungen."
Pflegenotstand schlimmer als zu Beginn der Pandemie
Im Zuge der Pandemie haben viele Pflegekräfte aus Frust und Überforderungen ihren Dienst gekündigt. In der Intensivpflege sollen es rund 30 Prozent sein. Überdies haben die Kliniken Notfallkapazitäten wieder abgebaut. Darum stehen jetzt 4.000 Intensivbetten weniger zur Verfügung als noch zu Jahresbeginn. Nach 19 Monaten Dauermarathon im Kampf gegen das Coronavirus sei das Personal müde und ausgebrannt, betonte Janssens.
Trotz allem ist der Intensivmediziner gegen eine Impfpflicht. "Das würde tatsächlich das Problem nicht lösen. Es würde es noch verstärken." Vielmehr müsse man versuchen, die Irrationalität der Angst mit allen Mitteln, unter anderem durch Aufklärung, zu überwinden. Es sei traurig, "dass man ein wirklich potenziell, zu fast 100 Prozent verhinderbares Krankheitsbild tatsächlich in Kauf nimmt, sich nicht impfen lässt - aus welchen Gründen auch immer - und dann schwer erkrankt auf der Intensivstation liegt und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit, wenn Sie einmal dort landen, auch verstirbt", so Janssens.
Laut DIVI-Register gibt es bundesweit noch 2.714 freie Intensivplätze (Stand: 30.10.21). Das entspricht 12 Prozent der Gesamtkapazität.