Kinder psychisch kranker Eltern werden oft vergessen
Depressionen, affektive Störungen oder Alkoholsucht: Wenn Kinder mit psychisch kranken Eltern aufwachsen, ist das eine enorme Belastung und hat Auswirkungen auf ihre Entwicklung. Studien zufolge haben betroffene Kinder ein bis zu 6-fach erhöhtes Risiko, später selbst einmal eine Abhängigkeitserkrankung zu entwickeln. Doch die Leitragenden fallen im deutschen Gesundheitssystem durchs Raster. Dabei soll es allein in Deutschland rund 600.000 betroffene Kinder geben. Dass der Hilfebedarf enorm ist und nur selten ausreichend gedeckt wird, darauf wies das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) auf einer Fachtagung vergangene Woche in Berlin hin.
Belastung führt zu Entwicklungsdefiziten
„Wenn Eltern krank sind, betrifft das auch immer ihre Kinder“, sagte Caren Marks, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), bei der Veranstaltung. Gerade Kinder, deren Eltern an einer psychischen Erkrankung leiden, brauchten Unterstützung.
Dr. med. Heidrun Thaiss, Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgAerklärte: „Insbesondere jüngeren Kindern von Eltern mit einer psychischen Erkrankung merkt man häufig nicht an, wie belastet sie schon sein können. Sie wirken oft ruhig und unauffällig. Erst mit der Zeit wird deutlich, dass sie zum Teil erhebliche Entwicklungsdefizite aufweisen.“
Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH), das eng mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) kooperiert, hilft betroffene Familien. Gefördert vom BMFSF unterstützt es seit 2007 die Fachpraxis dabei, familiäre Belastungen und Ressourcen früher zu erkennen, bedarfsgerechte Angebote bereitzustellen und die Vernetzung der unterschiedlichen Berufsgruppen zu fördern. Außerdem koordiniert das NZFH die Bundesinitiative Frühe Hilfen auf Bundesebene.
Eckpunktepapier für eine bessere Vernetzung
Das Angebot gerät jedoch vielfach an seine Grenzen. Erforderlich sei eine engere Kooperation mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst mit seinen sozialpsychiatrischen und sozialpädiatrischen Diensten, teilte eine Sprecherin des Zentrums mit. „Das Erkennen der elterlichen Erkrankung und eine im Bedarfsfall professionelle oder ehrenamtliche Begleitung können diesen Eltern helfen, besser für ihre Kinder zu sorgen und deren Chancen auf ein gesundes Aufwachsen zu erhöhen.“
Ein auf der Tagung vorgestelltes Eckpunktepapier soll nun die Situation der betroffenen Kinder verbessern. Auf 28 Seiten wird einerseits die Versorgungssituation beleuchtet, andererseits beinhaltet es Empfehlungen zu einer besseren Vernetzung der psychiatrischen Versorgungssysteme mit den präventiven, niedrigschwelligen Angeboten der Frühen Hilfen. Dutzende Fachgesellschaften haben das Papier unterzeichnet, darunter der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. und die Bundespsychotherapeutenkammer. Auf http://www.fruehehilfen.de/ ist es einsehbar.
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