Karpaltunnelsyndrom: Richtiges Zeitfenster für die Operation wird oft verpasst

Schmerzen und Taubheitsgefühl: Bei eingeklemmtem Nerv muss das Karpaltunnelsyndrom operiert werden – Foto: © Adobe Stock/ Orawan
Etwa jeder sechste Erwachsene ist im Laufe seines Lebens von einem Karpaltunnelsyndrom betroffen, Frauen doppelt so häufig wie Männer. Der Karpaltunnel befindet sich beugeseitig am Handgelenk. Dort verlaufen der Handmittelnerv „Nervus medianus“ und Muskelsehnen. Bei Verengung im Karpaltunnel kommt es zunächst zu bewegungsabhängigen zu Schmerzen, später können die Schmerzen chronisch werden, ebenso können sich zu Taubheit, Muskelschwäche bis hin zu Lähmungen der Hand einstellen.
Operation des Karpaltunnelsyndroms häufig
Bei der Operation wird das Halteband Retinaculums durchtrennt, was zu einer Druckentlastung führt. In Deutschland werden jedes Jahr etwa 300.000 derartige operative Eingriffe durchgeführt. Einige allerdings zu früh und einige zu spät, beklagt PD Dr. Andrea Jaspert-Grehl Essen, Expertin der Deutschen Hirnstiftung. „Wir bemängeln, dass in manchen Fällen zu früh und zu häufig operiert wird, in der Praxis sehen wir aber auch Fälle, bei denen das Zeitfenster für eine OP verpasst wurde und die Patientinnen und Patienten langfristig funktionelle Einschränkungen und Schmerzen behalten. Wir empfehlen daher eine rechtzeitige Beurteilung eines Karpaltunnelsyndroms durch eine Neurologin/einen Neurologen“, so die Expertin.
Neurologen können anhand verschiedener bildgebender und elektrophysiologischer Untersuchungen feststellen, ob eine OP indiziert ist oder zunächst konservative Verfahren versucht werden können ohne das Risiko, die Beschwerden zu chronifizieren. „Das ist ratsam, da jeder Eingriff mit einem OP-Risiko einhergeht und in seltenen Fällen auch Komplikationen wie Nahtdehiszenzen, Sehnen- und Nervenverletzungen auftreten können“, sagt Jaspert-Grehl.
Eingeklemmter Nerv muss operiert werden
Eine Operation ist zum Beispiel dann notwendig, wenn bereits deutliche Einschnürungen des Nervs vorliegen. Im Ultraschall wird der eingeklemmte Nerv sichtbar. In anderen Fällen können konservative Maßnahmen kurzfristig zu einer deutlichen Symptombesserung führen. Allerdings ist ihr Erfolg im Langzeitverlauf nicht gesichert.
Was konservative Behandlungsmethoden bringen
Es gibt zum Beispiel keine Belege, ob die gängige Ruhigstellung des Handgelenks mit einer Schiene (Orthese) auch langfristig hilft. Das gleiche gilt für die Ultraschall- und Lasertherapie: Gelegentlich konnte in Studien eine kurzzeitige Schmerzlinderung erreicht werden, jedoch nicht über drei Monate hinaus.
Auch die medikamentöse Therapie des Karpaltunnelsyndroms zeigt keine zufriedenstellenden Studienergebnisse. So wirkt Kortison zwar abschwellend und entzündungshemmend, doch Langzeiteffekte sind nicht belegt. Studien zum Einsatz anderer Medikamente wie Gabapentin, ein Antiepileptikum, das bei anderen Nervenschmerzen (Neuropathien) eingesetzt wird, oder Injektionen mit körpereigenen Blutprodukten wie PRP („Platelet-Rich Plasma“), fielen negativ aus.
Neurodynamik erfolgsversprechend
Bessere Ergebnisse liefert dagegen eine aktuelle Metanalyse zur manuellen Therapie mit der sogenannten Neurodynamik. Dadurch sollen Verklebungen gelöst und die Beweglichkeit bzw. Gleitfähigkeit im umgebenden Gewebe verbessert werden. Die Autoren ordnen die Effektivität der Neurodynamik dem Evidenzlevel B zu und empfehlen den Einsatz zur Behandlung des Karpaltunnelsyndrom: Andere Arbeiten zeigten für die Kombination von Neurodynamik mit Kinesio-Taping, dass die Resultate der Neurodynamik weiter verbessert werden konnten.
Die Wahl der Therapie hängt vom Befund und den Beschwerden ab. Andrea Jaspert-Grehl und weitere Experten der Hirnstiftung bieten am 17. Mai von 18 – 20 Uhr eine Telefonsprechstunde an. Um vorherige Anmeldung wird gebeten 030 531 437 936.