Kann Kortison das ADHS-Risiko beim Ungeborenen erhöhen?

Kortison in der Schwangerschaft erhöht möglicherweise ADHS-Risiko
Konzentrationsschwierigkeiten und Hyperaktivität können Folgen von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung) sein. Für Betroffene bedeutet dies eine große Belastung. Nun hat eine Studie ergeben, dass Kortison, in der Schwangerschaft gegeben, beim Ungeborenen das Risiko für die Entwicklung von ADHS erhöhen kann.
Für die Studie des Forscherteams um Alina Rodriguez vom Imperial College London wurden die Daten von mehr als 9.000 Schwangeren einbezogen. 37 von ihnen erhielten wegen einer drohenden Frühgeburt Kortison. In den Folgejahren wurden die Kinder regelmäßig untersucht. So bewerteten die Lehrer das Verhalten der Kinder im Alter von acht Jahren mit einer speziellen Skala; im Alter von 16 Jahren wurden dann die Teenager selbst sowie ihre Mütter befragt.
Mehr psychische Auffälligkeiten nach Kortison-Exposition in Schwangerschaft
Es zeigte sich, dass die Kinder, die vor ihrer Geburt einer Behandlung mit Kortison ausgesetzt waren, im Alter von acht Jahren nach Ansicht ihrer Lehrer achtmal häufiger psychische Auffälligkeiten aufwiesen als andere Kinder. Auch Aufmerksamkeitsstörungen, die auf ein ADHS-Symptom hinweisen können, traten vermehrt auf.
Allerdings waren die Ergebnisse bei den Kindern im Teenager-Alter nicht mehr signifikant. Auch war die Zahl der Kinder, die pränatal einer Kortisonbehandlung ausgesetzt waren, so gering, dass die Studie keine eindeutigen Schlüsse zulässt. Dennoch halten die Forscher Spätfolgen einer pränatalen Kortison-Exposition für biologisch plausibel. Tierexperimentelle Studien, so die Studienautoren, wiesen darauf hin, dass das Gehirn zu diesem Zeitpunkt der Entwicklung stark auf Kortison reagiere.
Kortison in der Schwangerschaft kann Leben des Kindes retten
Andere Forscher haben ähnliche Bedenken angemeldet. So haben amerikanische Wissenschaftler kürzlich berichtet, dass Kinder, deren Mütter vor der Geburt mit Kortison behandelt wurden, einen dünneren Anterioren Cingulären Cortex (ein Teil der Großhirnrinde) aufweisen, was mit Störungen in der emotionalen Entwicklung in Verbindung gebracht wird. Insgesamt sind die Befunde aber zu ungenau, um von einer pränatalen Kortisonbehandlung abzuraten. Allerdings raten die Forscher zu einem zurückhaltenden Einsatz der Medikamente.
Kortison kann in der Schwangerschaft gegeben werden, um die Lungenreifung zu beschleunigen, was wichtig ist, wenn eine Frühgeburt droht. Eine Behandlung mit Kortison ist also immer dann angezeigt, wenn frühzeitige Wehen oder andere Komplikationen auftreten, die auf eine bevorstehende Frühgeburt hinweisen. Die Kortisongabe kann das Leben der Neugeborenen retten und schwere frühkindliche Störungen verhindern. So kann das Sterberisiko bei Neugeborenen durch die Kortisongabe um ein Drittel gesenkt werden, das Risiko von Nervenschäden und Lähmungen sogar um rund 70 Prozent.
Foto: © djama - Fotolia.com