Jedes Lebensjahr mit Übergewicht erhöht das Darmkrebsrisiko

Wie sehr Übergewicht das Risiko für Krankheiten wie Darmkrebs erhöht, ist laut einer aktuellen Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums nicht nur eine Frage der Menge, sondern vor allem der Zeit. In der Fachsprache heißt dieses Konzept auch „kumulierte lebenslängliche Exposition“. – Foto: AdobeStock/Dmytro Flisak
Zahlreiche Krebsarten treten bei übergewichtigen Menschen häufiger auf als bei Normalgewichtigen. Dazu zählen unter anderem Brustkrebs, Krebs der Gebärmutter, der Niere oder der Speiseröhre – und auch Darmkrebs. Eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg zeigt: Im Vergleich zu Menschen, die ihr Leben lang Normalgewicht gehalten haben, erkranken dauerhaft Übergewichtige sogar bis zu zweieinhalbmal häufiger an Darmkrebs. Interessant daran: Die Anzahl an Lebensjahren, in denen ein Mensch Übergewicht auf die Waage bringt, hat offenbar eine höhere Aussagekraft für das Darmkrebsrisiko als eine einmalige Messung des Körpergewichts. Damit kommt der Vermeidung des Übergewichts laut DKFZ eine noch wichtigere Rolle in der Krebsprävention zu als bislang angenommen.
Fettgewebe gibt konstant schädliche Stoffe an den Organismus ab
Die Wissenschaft ging schon bisher davon aus, dass Übergewicht ein Treiber von Darmkrebs ist, weil das Fettgewebe konstant Wachstumsfaktoren, Hormone oder entzündungsfördernde Substanzen abgibt. Forscher des DKFZ stellten deshalb die Hypothese auf: Es müsse einen Unterschied machen, ob der Körper diesem Einfluss nur über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum ausgesetzt sei oder ob das Übergewicht über Jahrzehnte hinweg, möglicherweise sogar bereits seit der Jugend bestehe.
Jahre mit Übergewicht: Höhere Vorhersagekraft für Darmkrebs als das Übergewicht selbst
Um diese Hypothese zu überprüfen, nutzten die Wissenschaftler um Hermann Brenner, der Epidemiologe am DKFZ ist, einen Datenfundus aus einer vor fast 20 Jahren im Rhein-Neckar-Raum gestarteten Langzeitstudie zum Thema Darmkrebs (sogenannte DACHS-Studie). Das Ergebnis: Verglichen mit dauerhaft normalgewichtigen Teilnehmern haben Übergewichtige ein höheres Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Dieses Risiko steigt mit der Anzahl der übergewichtigen Lebensjahre und dem Ausmaß des Übergewichts: Diejenigen Teilnehmer, die langfristig viele Pfunde mit sich herumtrugen, erkrankten zweieinhalbmal so oft an Darmkrebs wie die dauerhaft Normalgewichtigen. Damit hat dieser Wert dem DKFZ zufolge eine höhere Vorhersagekraft und korreliert weitaus besser mit dem tatsächlichen Darmkrebsrisiko als eine einmalige Bestimmung des Übergewichts, wie sie in bisherigen Untersuchungen zu Krebserkrankungen offenbar üblich war oder ist.
Übergewicht: Risikofaktor für viele Arten von Erkrankungen
„Aus unserer Studie wird deutlich, dass das Übergewicht einen noch größeren Einfluss auf das Darmkrebsrisiko hat als bislang angenommen“, sagt Epidemiologe Brenner vom GKFZ. „Es ist zu vermuten, dass das auch für viele andere Erkrankungen gilt, für die das Übergewicht ein bekannter Risikofaktor ist. Dies unterstreicht einmal mehr, wie wichtig es ist, bereits im Kindes- und Jugendalter vorzubeugen, dass Übergewicht entsteht.“
Messgröße für Krebsrisiko bei Rauchern: die „Packungsjahre“
In der Wissenschaftssprache heißt das Modell von der Bedeutung der Zeitdauer bei Risikofaktoren von Krankheiten auch „die kumulierte lebenslängliche Exposition“. Dieses Konzept wenden Forscher auch bei der Einschätzung anderer primärer Krebsrisikofaktoren an. Um etwa den schädlichen Einfluss des Tabaks zu bestimmen, ermitteln sie als Messgröße die lebenslang gerauchten „Packungsjahre“. Rauchen gilt in der Medizin als größter vermeidbarer Krebsrisikofaktor.