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Jedes Jahr neue Covid-19-Impfstoffe?

Sonntag, 28. März 2021 – Autor:
Noch scheinen die in aller Schnelle entwickelten Covid-19-Impfstoffe nicht nur gegen die erste Generation des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 zu wirken, sondern auch gegen die bisher aufgetreten Mutanten. Doch bleibt das so? Forscher der Berliner Charité haben dafür die Mutationsgeschichte des seit vielen Jahren bekannten, harmlosen Erkältungs-Coronavirus untersucht und jetzt eine Prognose gewagt.
Zwei kleine Impfstoffspritzen, drei blaue Virus-Simulationen mit Stacheln auf der Haut.

Grippe-Impfstoffe müssen jedes Jahr aktualisiert werden, um vor neuen Influenza-Viren zu schützen. Gleiches erwarten Berliner Forscher auch bei Covid-19-Impfstoffen – zumindest bis die Pandemie zu Ende geht. – Foto: AdobeStock/phonlamaiphoto

Kaum hat die Wissenschaft weltweit an einem Strang gezogen und in Windeseile völlig neue Impfstoffe gegen ein völlig neues Virus entwickelt – da entwickeln sich neue, immer infektiösere Varianten. Nach bisherigen Erkenntnissen wirken die aktuell vorhandenen Impfstoffe auch gegen Mutanten des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 . Doch soeben warnt der deutsche Kanzleramtsminister Helge Braun – selbst von Haus aus Arzt – davor, dass bald Mutanten auftreten könnten, gegen die die gefeierten neuen Impfstoffe machtlos sind.

Neue Corona-Varianten tricksen das Immunsystem aus

Schon jetzt hat das Coronavirus-2 Mutanten hervorgebracht, von denen einige, wie die sogenannte südafrikanische Variante, die Immunreaktion teilweise unterlaufen. Schon jetzt beginnen Impfstoffhersteller damit, neue Versionen ihres Vakzins zu entwickeln. Die Frage ist: Wird es, wie bei der Grippe, ein Wer-hat-die-Nase-vorn-Spiel geben? Und wenn ja: Wie lange wird es dauern? Auf diese Frage haben jetzt Virologen der Berliner Charité eine erste Antwort gefunden.

Grippeviren und Impfstoffe: Seit Jahren ein Wettrennen

Bekannt ist das Problem von den Grippeviren. „Influenzaviren sind Meister darin, sich der Immunreaktion des Menschen zu entziehen: Sie verändern sich so schnell, dass die Antikörper, die das Immunsystem nach einer früheren Infektion oder Impfung hergestellt hat, sie nicht mehr gut erkennen können. Das macht eine aufwendige Anpassung des Impfstoffs in praktisch jeder Grippe-Saison nötig“, heißt es in einer Mitteilung der Berliner Charité.

Forscher: „Regelmäßige Impfstoff-Updates werden nötig sein“

Vergleichbares erwarten die dort forschenden Virologen auch beim Kampf gegen das neuartige Coronavirus. Die Prognose der Berliner Wissenschaftler: Auf Basis der Evolutionsraten der heimischen Erkältungscoronaviren ist davon auszugehen, dass sich auch Sars-CoV-2 langsamer verändern wird, sobald das Infektionsgeschehen abebbt – also nachdem ein Großteil der weltweiten Bevölkerung entweder durch die Erkrankung selbst oder durch eine Impfung einen Immunschutz aufgebaut hat. Studienleiter und Charité-Virologe Jan Felix Drexler sagt: „Während der Pandemie werden regelmäßige Impfstoff-Updates nötig sein, nach einigen Jahren ist jedoch eine längere Wirkungsdauer der Impfstoffe zu erwarten."

40 Jahre Erfahrung mit Coronaviren

Um einschätzen zu können, ob SARS-CoV-2 langfristig eine ebenso stark ausgeprägte „Flucht“ vor dem Immunsystem zeigen wird wie Influenzaviren, haben sich Virologen der Charité landläufige Erkältungs-Coronaviren genauer angesehen. Für die Studie verfolgte das Forschungsteam nach, wie sich das Spike-Gen der beiden am längsten bekannten Coronaviren 229E und OC43 über die vergangenen rund 40 Jahre verändert hat. Die Proben dafür besorgten sie sich bei einer Gen-Datenbank. Bekannt sind vier solcher vergleichsweise harmlosen Coronaviren, die rund zehn Prozent der Erkältungen weltweit verursachen und schon wesentlich länger im Menschen zirkulieren als das neue SARS-CoV-2. Auch sie entern menschliche Zellen über das sogenannte Spike-Protein, das die namensgebende „Krone“ auf der Virus-Oberfläche bildet und gegen das alle bisherigen COVID-19-Impfstoffe gerichtet sind.

„Zirkulierende Viruslinie regelmäßig durch neue ersetzt“

Im Rahmen ihrer Studie entwickelten die Berliner Wissenschaftler anhand der über die Zeit entstandenen Mutationen quasi einen „Stammbaum“ für diese beide Coronaviren. Dieser zeigte, als Grafik visualisiert, eine ausgeprägte Treppenform. „Ein solch asymmetrischer Stammbaum bedeutet, dass eine zirkulierende Viruslinie regelmäßig durch eine andere ersetzt wird, weil diese einen Überlebensvorteil hat“, erklärt Wendy K. Jó, Erstautorin der Studie vom Institut für Virologie der Charité. „Das ist ein Hinweis auf eine sogenannte Antigen-Drift, also eine kontinuierliche Veränderung der Oberflächenstrukturen, durch die Viren sich der menschlichen Immunreaktion entziehen.“ Die heimischen Coronaviren entfliehen dem Immunsystem also ebenso, wie das bekanntermaßen beim Grippevirus der Fall ist.

Mutationsgeschwindigkeiten: Drei Viren im Vergleich

In einem nächsten Schritt ermittelten die Berliner Forscher die Geschwindigkeit, mit der Viren mutieren und damit trotz vorhandener Impfstoffe aufs Neue gefährlich werden können. Sie verglichen dabei folgende drei:

  • Das bekannte Erkältungs-Coronavirus, weil es wie Sars-CoV-2 zur Familie der Coronaviren gehört.
  • Das neuartige Coronavirus, weil es uns aktuell so brennend beschäftigt.
  • Und das Grippevirus, weil sich Virusmutationen und die Weiterentwicklung von Impfstoffen seit Jahren ein Wettrennen liefern.

So schnell passieren Mutationen

Mutationen pro 10.000 Erbgut-Bausteinen im Jahr:

  • Bekanntes, harmloses Erkältungs-Coronavirus: 6 Mutationen
  • Neuartiges Coronavirus Sars-CoV-2: 10 Mutationen
  • Grippevirus: 25 Mutationen

Sars-CoV-2: Mutationen langsamer als beim Grippevirus

Der Vergleich der Mutationen zeigt: Sars-CoV-2 verändert sich gut um die Hälfte schneller als die bekannten Erkältungsviren aus der Coronavirus-Familie. Aber nicht halb so schnell wie das mutationsfreudige Influenza-Virus. „Das ist mit Blick auf SARS-CoV-2 eine gute Nachricht“, resümiert der Direktor des Instituts für Virologie an der Charité, Christian Drosten. Die schnellere Weiterentwicklung des neuartigen im Vergleich zu den bekannten Coronaviren erklären die Berliner Forscher vor allem mit dem hohen Infektionsgeschehen während der Pandemie: Wo es viele Infektionen gibt, kann sich ein Virus auch schneller weiterentwickeln.

Hauptkategorie: Corona
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