Jedes sechste Kind und jeder vierte Jugendliche leidet heute unter einer chronischen Erkrankung. Nach Auskunft des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) führen Allergien, Asthma, Neurodermitis, chronische Darmentzündungen, Zöliakie und Diabetes mellitus (Typ 1 und 2) die Statistik an. Aber auch angeborene Herzfehler, Epilepsien, Rheuma, Zerebralparesen oder das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS/ADHS) sowie Krebserkrankungen gehören zum Spektrum von chronischen Krankheiten bei Heranwachsenden.
Viele dieser Leiden sind heute gut behandelbar. Chronisch kranke Kinder bräuchten jedoch mehr als eine gute medizinische Versorgung, erklärte BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach bei einem Politforum am 21. Juni in Berlin. Zur Krankheitsbewältigung bedürfe es komplexer Leistungen aus dem medizinischen und pädagogischen Bereich. „Anderenfalls können die chronischen Erkrankungen die Entwicklung des Kindes nachhaltig beeinträchtigen oder sogar weitere sekundäre Störungen nach sich ziehen“, sagte er.
Kritik an der Politik
Aus Sicht der Kinder- und Jugendärzte fehlt es aber an einem verzahnten Fall-Management – etwa der Zusammenarbeit von Ärzten verschiedener Fachbereiche und Lehrern oder Sozialpädagogen. „Die Politik schweigt dazu und überlässt es uns Pädiatern, ein komplexes Behandlungs- und Fördermanagement in Abhängigkeit von der Diagnose, dem Schweregrad des Krankheitsbildes und passend zur Lebenssituation des Kindes oder des Jugendlichen zu organisieren“, kritisierte Fischbach in Berlin. Dies sei aber in einem normalen Praxisbetrieb nicht zu schaffen.
Auf der Tagung stellten die Kinder- und Jugendärzte einen Katalog mit Forderungen an die auf. Darin wird unter anderem
- · eine multiprofessionelle Behandlungs- und Förderplanung, damit chronisch kranke Kinder alle erforderlichen Leistungen in richtigem Umfang erhalten,
- · eine bessere Verfügbarkeit und Qualität der pädagogischen und frühen Hilfen in Kitas und Schulen, in Selbsthilfegruppen und in den Beratungsstellen und Diensten der freien Wohlfahrt,
- · Hilfe für die Koordinierungsleistungen durch andere Berufsgruppen, z. B. entsprechend geschulte Pflegekräfte oder Sozialpädagogen,
- · eine bessere Transition vom Übergang von der Pubertät in das Erwachsensein in Form von Koordinatoren , die die Behandlungspfade zusammenführen und Betroffene sowie deren Eltern fachkundig beraten, so dass es nicht zu Therapieabbrüchen kommt
gefordert.
Immer mehr Kinder psychisch auffällig
Als gravierendes Problem wurde der Mangel an Kinder- und Jugendpsychiatern und –therapeuten bezeichnet. Der Anteil von Kindern mit emotionalen und sozialen Auffälligkeiten nehme stark zu, hieß es. Die Kinderärzte stießen hier aber an ihre Grenzen, sowohl fachlich als auch zeitlich. Derzeit müssten Kinder bis zu sechs Monaten auf einen Behandlungstermin warten. Das sei skandalös, erklärte der Kinderarzt.
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