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Jeder Zweite geht krank zur Arbeit

Donnerstag, 18. November 2021 – Autor:
Wenn Berufstätige trotz Krankheit arbeiten gehen, kann das für sie selbst negative Folgen haben – und für das Unternehmen. Krankheiten werden verschleppt, Kollegen angesteckt und es passieren mehr Fehler. Trotzdem tut das jeder Zweite. In einer Branche ist diese – nur scheinbar heldenhafte – Verhaltensweise besonders verbreitet.
Schreibtisch mit vielen benutzten Papiertaschentüchern: Frau mit Erkältung im Büro.

Krank zur Arbeit hat für manche etwas Tapferes. Aber selbst Arbeitgeber sollten daran nicht interessiert sein. Denn ein kranker Mitarbeiter ist ein Risiko für Kollegen und auch das Unternehmen. – Foto: AdobeStock/LIGHTFIELD STUDIOS

„Präsentismus“: Das klingt nach ein bisschen nach einer Richtung in der Philosophie, nach einer Weltanschauung – und tatsächlich ist da auch etwas dran. Denn es beschreibt den Glauben, in jedem Zustand am Arbeitsplatz präsent sein zu müssen – selbst dann, wenn es schlecht für einen selbst, für die Kollegen wie für das Unternehmen sein kann: bei Krankheit. Trotzdem: Jeder zweite Beschäftigte in Deutschland tut das – und geht „manchmal, häufig oder sogar sehr häufig“ krank zur Arbeit.  Das ist ein Ergebnis der aktuellen „Beschäftigtenstudie“, die das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) zusammen mit der Techniker Krankenkasse (TK) durchgeführt hat.

Präsentismus: Negative Folgen für Beschäftigte und Unternehmen

„Wenn Mitarbeitende trotz Krankheit arbeiten, kann das nicht nur für sie selbst negative Folgen haben, sondern auch für das Unternehmen. Krankheiten werden verschleppt, Kolleginnen und Kollegen angesteckt und es passieren mehr Fehler", sagt Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK.

Trotz Kranksein arbeiten: Frauen opfern sich häufiger auf

Für die Studie befragten die Wissenschaftler mehr als 11.000 Beschäftigte aus 43 Unternehmen und Öffentlichen Einrichtungen. Die Auswertung zeigt, dass weibliche Beschäftigte eher zu Präsentismus neigen als ihre männlichen Kollegen. So geben 56 Prozent der befragten Frauen an, manchmal, häufig oder sehr häufig krank zu arbeiten, bei den Männern sind es 47 Prozent.

Hohe Arbeitsbelastung – viel Präsentismus

Ob Beschäftigte krank zur Arbeit gehen, hängt der Studie zufolge auch mit der Arbeitslast in ihrem Job zusammen: Wer viele Überstunden macht oder generell zu wenig Zeit für berufliche Aufgaben hat, geht häufiger krank zur Arbeit. Dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer belastet sind, zeigt die Befragung: Ein Drittel macht demnach oft oder immer Überstunden, knapp 40 Prozent haben oft oder immer zu wenig Zeit, um alle beruflichen Aufgaben zu erledigen.

Belastungsphänomene am Arbeitsplatz: Die Top vier

Die Befragungsergebnisse zeigen auch: Äußere Faktoren wie zum Beispiel die Gestaltung des Arbeitsplatzes spielen für viele Beschäftigte eine wichtige Rolle - und viele wünschen sich hier auch mehr Angebote ihres Arbeitgebers. Die Top-Belastungsfaktoren, durch die sich die Befragten sehr stark oder stark belastet fühlen, sind:

  1. lange Bildschirmzeiten (56 Prozent)
  2. die Arbeitshaltung (48 Prozent)
  3. die Raumtemperatur (19 Prozent)
  4. Lärm (17 Prozent).

Präsentismus: In der Pflegebranche besonders verbreitet

Erst Ende Oktober hatte die AOK eine Befragung von Personal zur selben Problematik veröffentlicht. Darin zeigt sich, dass die Praxis, krank zur Arbeit zu gehen, besonders in Pflegeberufen offenbar weit verbreitet ist. „Viele Beschäftige tendieren im Arbeitsalltag häufig dazu, eigene Belastungsgrenzen aus Loyalität zum Team zu überschreiten“, sagt Werner Winter, Experte für Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) im AOK-Bundesverband.“ Sie sind der Überzeugung, dass sie ihrem Unternehmen und den Kolleginnen und Kollegen etwas Gutes tun, wenn sie krank zur Arbeit erscheinen.“ Ein weiterer Grund für Präsentismus sei: Pflege ist ein besonderer Beruf. Pflegende bauen eine persönliche Beziehung zu den Menschen auf, um die sie sich kümmern und fühlen sich für sie verantwortlich.

Krank zur Arbeit: Auch das Unfallrisiko steigt

Zu den Risiken des Präsentismus sagt AOK-Experte Winter: „Die Betroffenen erholen sich nicht angemessen, Krankheiten können chronisch werden und Beschäftigte fallen womöglich noch länger aus.“ Im Falle von Infektionskrankheiten können andere, etwa Teammitglieder angesteckt werden. Auch das Fehler- und Unfallrisiko steigt nachweislich. Gerade in der medizinischen und pflegerischen Versorgung können Fehler schwere Konsequenzen nach sich ziehen und kranke und pflegebedürftige Menschen in Gefahr bringen.

Eckdaten der Präsentismus-Studie

An den Befragungen im Rahmen der Beschäftigtenstudie „How's work? Was Beschäftigte in Deutschland bewegt und belastet" nahmen 11.199 Beschäftigte aus 43 Organisationen in den Jahren 2018 bis 2021 teil. Der überwiegende Teil der Befragten ist in Wirtschaftsunternehmen tätig (84 Prozent), der andere Teil ist in Öffentlichen Einrichtungen angestellt (16 Prozent).

Hauptkategorie: Prävention und Reha
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