Jede dritte Antibiotika Verordnung ist überflüssig
Allen Warnungen zum Trotz verschreiben Deutschlands Ärzte weiterhin auch dann Antibiotika, wenn deren Einsatz nicht zwingend erforderlich ist. Das fand die DAK bei einer umfassenden Analyse ihrer Arzneimittel-Daten heraus. Der am Montag in Berlin vorgestellte Antibiotika-Report der DAK zeigt, dass fast 30 Prozent der Antibiotika-Verordnungen im vergangenen Jahr mit Blick auf die Diagnose fragwürdig waren. Vor allem bei Infektionen der oberen Atemwege, Bronchitis oder Husten haben Ärzte – entgegen der Behandlungsleitlinien – besonders häufig Antibiotika verschrieben. Der unkritische Einsatz von Antibiotika in der Medizin gilt als eine der Hauptursachen, warum immer mehr Bakterien Resistenzen gegen die Medikamente entwickeln. „In Folge des zu häufigen Einsatzes drohen diese wichtigen Medikamente ihre Wirkung zu verlieren“, sagte DAK-Vorstand Herbert Rebscher bei der Vorstellung des Antibiotika-Reports. Die Überversorgung habe dramatische Folgen: „Die Weltgesundheitsorganisation warnt bereits vor einer „postantibiotischen Ära“, in der Infektionen wieder zur tödlichen Gefahr werden können“, so Rebscher.
Bei älteren Patienten stehen häufig Reserveantibiotika auf dem Rezept
Besonders alarmierend ist, dass Patienten über 60 häufig sogenannte Reserveantibiotika verschrieben bekommen. Das sind sozusagen die letzten Waffen im Schrank, die nur dann gegeben werden sollten, wenn herkömmliche Antibiotika nicht mehr wirken. Ein Viertel der Antibiotika-Verschreibungen im Jahr 2013 entfiel auf die Wirkstoffgruppe der Fluorchinolone. Die Verordnungsraten bei Kindern sind zwar rückläufig. Die DAK-Auswertung zeigt jedoch, dass die jungen Versicherten immer noch mehr Antibiotika einnehmen als die Erwachsenen: 2013 haben 45 Prozent der unter 15-Jährigen Antibiotika verschrieben bekommen.
Aber warum verschreiben Ärzte eigentlich so leichtfertig Antibitiotika, wo sie doch um die Resistenzproblematik wissen müssten? In dem Report haben die Gesundheitsexperten der DAK auch die Gründe für den häufigen Einsatz der Medikamente analysiert. Demnach spielt die Erwartungshaltung der Patienten eine sehr große Rolle. So erwarten Drei Viertel der Befragten eine Antibiotika-Verordnung, wenn Erkältungsbeschwerden nicht von selbst besser werden. Ein Viertel wünscht ein Rezept, um schnell wieder fit für den Job zu sein.
40 % der DAK-Versicherten wissen nicht, dass Antibiotika bei Viruserkrankungen sinnlos sind
Was 40 Prozent nicht wissen: Antibiotika wirken nur bei bakteriellen Infektionen, bei Viruserkrankungen wie Erkältungen sind sie vollkommen sinnlos. „Erkältungen werden in 80 bis 90 Prozent aller Fälle von Viren verursacht, ohne dass es eine zusätzliche bakterielle Besiedlung gibt“, sagte der Arzneimittelexperte Professor Gerd Glaeske. „Antibiotika schaden in solchen Fällen mehr als sie nutzen. Sie können Nebenwirkungen verursachen und verschärfen das Risiko der Resistenzbildung.“
Mit einer Informationskampagne will die DAK nun Ärzte und Patienten für einen kritischeren Umgang mit Antibiotika sensibilisieren. „Nur wenn ein Umdenken stattfindet, können wir auch in Zukunft auf die lebensrettenden Medikamente setzen“, sagte Herbert Rebscher. Vor allem sollte die Kampagne bewirken, dass Ärzte ihre Patienten künftig besser aufklären. „Dann müssen sie auch keine Zugeständnisse machen, die therapeutisch gar nicht nötig sind."
Die dramatischen Folgen des häufigen Antibiotikaeinsatzes werden in den Krankenhäusern schon heute sichtbar. Der DAK Antibiotika-Report zeigt, dass von einer Million Versicherten, die 2013 in Krankenhäusern behandelt wurden, knapp 20.000 einen resistenten Keim in sich trugen. 2010 waren es nur rund 15.000 Versicherte. Das entspricht einem Anstieg von knapp 30 Prozent.
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