Ist mein Kind depressiv veranlagt? Gentest sagt Depressionsrisiko voraus

Depressionen bei Kindern sind häufiger als manche Eltern denken. Bestimmte Gene erhöhen das Erkrankungsrisiko
Depressionen können bereits im Kindes- und Jugendalter beginnen. Doch depressive Symptome von Kindern werden oft nicht ernst genommen oder falsch gedeutet. Experten schätzen, dass weniger als 50 Prozent der behandlungsbedürftigen Kinder und Jugendlichen angemessen behandelt werden.
Geht es nach Forschern des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München und der Ludwig-Maximilians-Universität könnte die Diagnostik-Lücke künftig durch einen Gentest geschlossen werden. In einer Studie hatten die Forscher zusammen mit einem internationalen Forscherteam ein genetisches Profil bestimmt, mit dessen Hilfe das Erkrankungsrisiko für eine Depression bei Kindern und Jugendlichen vorausgesagt werden kann. Damit lasse sich nun ein zentraler Risikofaktor für die Entstehung von Depressionen identifizieren, berichtet das Forscherteam, „um möglichst frühzeitig wirksame und zielgerichtete Hilfen zur Vorbeugung der Depression entwickeln zu können.“
Genetische Profile sagen etwas über Erkrankungsrisiko aus
Natürlich kann der Test nicht vorhersagen, ob das Kind tatsächlich eine Depression bekommen wird - das wäre vermessen. Denn an Depressionen sind immer mehrere Auslöser beteiligt – neben einer genetischen Disposition spielen neurobiologische, soziale und psychologische Faktoren eine Rolle. Der Gentest soll aber wohl jene herausfischen, die mit höherer Wahrscheinlichkeit erkranken werden.
Von Erwachsenen abgeguckt
Genetische Profile wurden bereits für depressive Erwachsene erstellt. Die Forscher haben diese Erkenntnisse nun genutzt, um Vorhersagen über Entstehung, Schweregrad und Erkrankungsbeginn bei Kindern und Jugendlichen zu tätigen. „Wir haben dieses Risikoprofil auf der Basis von 460.000 Erwachsenen mit einer Depression erstmals gefunden. Darauf aufbauend haben wir bei Kindern und Jugendlichen in drei Stichproben, bei Patienten aus der Klinik und zwei epidemiologischen Stichproben, zeigen können, dass das Risikoprofil sowohl die klinische Diagnose Depression als auch depressive Symptome beeinflusst“, erläutert die Erstautorin der Studie Thorhildur Halldorsdottir vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie.
Mehr Klarheit über genetische Ursachen von Depressionen
Außerdem konnte in der Studie mit 2.000 jungen Teilnehmern gezeigt werden, dass bei bereits an einer Depression erkrankten Kindern und Jugendlichen ein Zusammenhang zwischen einem erhöhten genetischen Risikoprofil und der Schwere der depressiven Erkrankung sowie dem Ersterkrankungsalter besteht. Liegen Missbrauchserfahrungen in der Kindheit vor, stellt dies einen zusätzlichen Risikofaktor für die Entwicklung einer Depression und depressiver Symptome dar.
Klinikdirektor Gerd Schulte-Körne sieht dieses Ergebnis als einen Meilenstein für das Verständnis von den Ursachen für eine Depression bei Kindern: „Mit dieser Studie ist ein wichtiger Schritt in Richtung des Verstehens der komplexen genetischen Ursachen der Depression bei Kindern und Jugendlichen gelungen. Allerdings erklärt der Score nur eine Risikoerhöhung und nicht die Erkrankung.“
Bessere und frühere Diagnostik nötig
Laut den Forschern gibt es noch viel zu tun, um die frühzeitige Diagnose von Depressionen bei Jugendlichen zu verbessern. „Wenn wir jedoch wissen, welche Kinder mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Depression entwickeln, haben wir die Möglichkeit, wirksame Präventionsstrategien einzusetzen und die enorme Belastung der Depression zu reduzieren.“
Andererseits könnte das genetische Profil auch wie ein Damokles-Schwert über den Betroffenen hängen. Gerade weil Depressionen verschiedenste Auslöser haben, sind Präventionsstrategien so individuell wie schwierig.
Foto: pixabay