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Intersexuelle Kinder immer noch zu oft operiert

Dienstag, 24. Oktober 2017 – Autor: Anne Volkmann
Viele Kinder, die bei ihrer Geburt keinem eindeutigen Geschlecht zugeordnet werden können, werden häufig sehr früh einer „geschlechtsangleichenden“ Operation unterzogen. Auf die Probleme, die das für Betroffene mit sich bringt, macht der Intersex Awareness Day am 26. Oktober aufmerksam.
Intersex Awareness Day

Bei intersexuellen Menschen ist das Geschlecht bei der Geburt nicht eindeutig männlich oder weiblich – Foto: ©GiZGRAPHICS - stock.adobe.com

Etwa jedes zweitausendste Kind, das in Deutschland geboren wird, ist weder eindeutig als Junge noch als Mädchen zu bezeichnen, da es mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen ausgestattet ist. Solche Kinder werden heute immer noch oft einer frühen „Geschlechtsangleichung“ unterzogen. Das verstößt nach Ansicht von Amnesty International jedoch gegen die Menschenrechte und kann zu langfristigen körperlichen und seelischen Schäden führen. Der alljährliche Intersex Awareness Day macht darauf und auf die generellen Belange der Beetroffenen aufmerksam. Der Tag erinnert auch an die Demonstrationen, die zum ersten Mal im Jahr 1996 in Boston gegen die medizinische Behandlungspraxis bei intersexuellen Menschen stattfanden.

Intersexualität ist keine Krankheit

Bei intersexuellen Menschen ist das Geschlecht von Geburt an nicht eindeutig männlich oder weiblich - und zwar hinsichtlich der Chromosomen, der Keimdrüsen, der Hormonproduktion und/oder des äußeren Erscheinungsbildes. Intersexuelle begreifen sich selbst in der Regel weder als krank noch als unnormal. Dennoch wird ihre Variante der Geschlechtsentwicklung im medizinischen Bereich als "Störung", nämlich als "Störung der sexuellen Differenzierung", kurz DSD ("disorder of sexual differentiation"), deklariert.

Für die Eltern ist es meist ein Schock, wenn sie kurz nach der Geburt erfahren, dass das Geschlecht ihres Kindes nicht eindeutig männlich oder weiblich ist. Häufig wird dann sehr schnell eine operative, oft durch Medikamente unterstützte Geschlechtsangleichung vorgenommen – auch in Deutschland. Doch dabei handelt es sich um eine Menschenrechtsverletzung, wie unter anderem Amnesty International kritisiert. Erst vor einigen Monaten hat die Organisation einen Bericht veröffentlicht, dem zufolge die unumkehrbaren Eingriffe häufig mit langfristigen Schäden für Körper und Seele der Betroffenen verbunden sind.

Amnesty International fordert stärkeren politischen Druck

Nach Angaben von Amnesty International existieren schon gute Leitlinien zum Umgang mit Intersexualität, die es ermöglichen, mit Operationen so lange zu warten, bis die Kinder selbst entscheiden können. Doch zwischen Theorie und Praxis läge immer noch eine große Kluft, so die Organisation. Amnesty fordert daher, dass die Leitlinien verbindlich gemacht werden. Nur so könne sichergestellt werden, dass mit Ausnahme von Notfällen keine Eingriffe durchgeführt werden.

Amnesty International fordert nun die Politik auf, mehr Druck auf Ärzte auszuüben, um von kosmetischen Operationen abzulassen, durch welche die Betroffenen oft ein Leben lang geschädigt werden. Zwischengeschlechtliche Kinder sollten nur noch dann operiert und mit Hormonen behandelt werden, wenn ihnen sonst Gefahren für die Gesundheit drohten. So seien Hormonbehandlungen beispielsweise angebracht, wenn ein Mensch lebensbedrohliche Hormondefizite aufweise.

Geschlecht darf im Geburtsregister uneindeutig bleiben

Auch der Deutsche Ethikrat hatte 2012 festgestellt, dass irreversible medizinische Maßnahmen zur Geschlechtszuordnung einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit darstellen. Um es für Betroffene leichter zu machen, eine Entscheidung für ein bestimmtes Geschlecht zu einem späteren Zeitpunkt ihres Lebens zu treffen, wurde im November 2013 auch das Personenstandsgesetz geändert. Seitdem kann der Geschlechtseintrag im Geburtsregister bei Neugeborenen mit uneindeutigem Geschlecht offenbleiben.

Foto: © GiZGRAPHICS - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin
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