Intensivstationen: Mehr als 3000 Stellen unbesetzt
Die körperliche und psychische Belastung ist immens. Dazu wird der tägliche Aufwand für Bürokratie immer größer und immer weniger Zeit und Energie bleiben für die eigentliche Aufgabe, die Versorgung der Patienten. Dem steht eine Bezahlung gegenüber, die für viele in keinem adäquaten Verhältnis zu dieser anspruchsvollen Tätigkeit steht. Intensivschwester oder -pfleger zu werden – das erscheint vielen als wenig attraktiv. „53 Prozent der Kliniken haben Probleme, Pflegestellen im Intensivbereich zu besetzen“, warnt deshalb der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Thomas Reumann. Bei den Ärzten sind es 29 Prozent. Im Auftrag der DKG hat das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) die Personalsituation in der Intensivpflege und -medizin untersucht. Ergebnis der soeben veröffentlichten Studie: Schon jetzt sind in der Intensivpflege 3.150 Stellen frei – weil sich niemand findet, der sie annehmen will.
DKG fordert Unterstützung und Geld von Politik und Krankenkassen
"Wir müssen aufhören, den Beruf der Pflege schlechtzureden“, sagte der DKG-Präsident, „und es ist an der Zeit, dass Politik und Kostenträger ihre Verantwortung für die Pflegekräfte übernehmen.“ Die Politik forderte der DKG-Chef auf, direkte Maßnahmen zur Entlastung des Personals in Angriff zu nehmen, damit es die Dokumentationsanforderungen leichter bewältigen könne. Reumann wörtlich: „Die Bürokratielast muss endlich konsequent und mutig abgebaut werden.“ DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum verlangte von den Krankenkassen mehr Geld, um Intensivpflegekräfte besser bezahlen zu können. „Eine wichtige Voraussetzung, um künftig noch mehr attraktive Arbeitsplätze in der Pflege anbieten zu können, ist eine gesicherte Refinanzierung der Kosten, beispielsweise in Form eines Tarifausgleichs“, sagte Baum. Durch die in Deutschland gültige Vergütung über Fallpauschalen (DRG) haben Kliniken wenig finanziellen Spielraum, um Mittel für eine attraktivere Bezahlung aus eigener Kraft zu generieren.
2,2 Patienten pro Schicht und Pflegekraft
Statistisch gesehen ist der Versorgung der Patienten in deutschen Krankenhäusern aktuell noch „objektiv gut“, heißt es in der DKI-Studie. Im Jahresdurchschnitt 2015 lag das Verhältnis von Intensivpatienten zu Pflegekräften bei 2,2 Fällen pro Schicht und Pflegekraft (Vollkraft). Die Empfehlung der Fachgesellschaft „Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin“ (DIVI) wird im Mittel in etwa erreicht. Von der DIVI angesetzter Standard: ein Pflegekraft-zu-Patienten-Verhältnis von 2 Fällen pro Schicht und Pflegekraft. Das DKI-Gutachten belegt außerdem, dass drei Viertel aller Krankenhäuser sogar die Fachkraftquote im Intensivbereich erfüllen. Die liegt laut DKI-Studie im Schnitt bei 44 Prozent je Krankenhaus. Die DIVI-Empfehlung von mindestens 30 Prozent Fachkräften erreichen demnach gut drei Viertel aller Krankenhäuser. Die Berliner Charité beispielsweise hat einen deutlich höheren Personalschlüssel für Intensivstationen 2016 in einem Haustarifvertrag festgeschrieben.
Zehn Prozent mehr Intensivpatienten als vor zehn Jahren
2,15 Millionen Patienten werden jährlich in den Intensivstationen der deutschen Krankenhäuser versorgt. Dies ergibt sich aus den aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2015. Zehn Jahre zuvor, im Jahr 2005, waren es 1,96 Millionen Intensivpatienten. Den Anstieg von zehn Prozent binnen einem Jahrzehnt erklären kritische Stimmen unter anderem mit einer Personal- und Zeitknappheit auf Normalstationen und daraus resultierenden Komplikationen. Viele Intensiv-Fälle seien unnötig und vermeidbar. In einem Bericht des Magazins Focus wird eine Krankenschwester mit dem Satz zitiert: „Es landen immer Patienten auf der Intensivstation, als notwendig wäre.“
Intensivmedizin verursacht 20 Prozent der Krankenhauskosten
Knapp 27.500 Betten zur intensivmedizinischen Versorgung gibt es derzeit deutschlandweit. Die Intensivmedizin macht rund 20 Prozent aller Krankenhauskosten aus. Dies wird damit erklärt, dass sich die medizinischen und technischen Möglichkeiten verbessern – was die Behandlungsfälle zugleich immer aufwendiger werden lässt.
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