Intensivmediziner Marx warnt vor Überlastung des Gesundheitssystems

In einigen Regionen Deutschlands arbeiten Kliniken bereits im Notfallmodus – Foto: © Adobe Stock/Sudok1
In der Charité wird bereits jede dritte Operation abgesagt. Auch in sächsischen Krankenhäusern herrscht aktuell alles andere als Regelbetrieb. Seit Freitag gilt die Überlastungsstufe. Gleichzeitig läuft am Donnerstag die epidemische Notlage in Deutschland aus.
Situation in einigen Regionen geradezu dramatisch
Wenig Verständnis dafür hat der Präsident der Deutschen interdisziplinären Vereinigung der Intensiv- und Notfallmediziner (DIVI) Gernot Marx. Zwar habe der Bundestag "viele gute Maßnahmen" beschlossen, dennoch sei die Beendigung der epidemischen Lage nationaler Tragweite nicht verständlich, sagte er im Interview mit dem Sender phoenix. "Die Situation ist in einigen Regionen geradezu dramatisch, in anderen Regionen angespannt“, so der Leiter der Intensivmedizinischen Klinik an der Uniklinik der RWTH-Aachen. Daher sei es unverständlich, "weshalb man sich Instrumente verbietet, die sich in der Vergangenheit als sehr wirkungsvoll erwiesen haben."
Kliniken schalten auf Notfallmodus um
Mit Blick auf die wachsende Zahl von COVID19-Patienten auf Intensivstationen sagte er, aktuell gebe es "keinen Grund zur Panik", er warnte aber dennoch vor einer Überlastung des Gesundheitssystems. "Wir müssen uns klar machen, wenn dieses Infektionsgeschehen so weitergeht, das heißt, dass wir dann wie in der Charité die planbaren Operationen absagen müssen, dass wir insgesamt auf einen Notfallmodus umschalten“, sagte Marx. Das insgesamt sehr hohe Niveau unserer allgemeinen Gesundheitsversorgung stünde dann nicht in der gewohnten Weise zur Verfügung, „weil wir dann auch ganz viel Personal aus anderen Bereichen in die Intensivmedizin transferieren müssen, um eben mehr Betten aufzumachen - und das wollen wir möglichst nicht.“
Marx verglich das aktuelle exponentielle Wachstum der Infektionszahlen mit der Situation vor einem Jahr. Damals habe es einen "Lockdown Light" gegeben und dennoch seien die Zahlen weiter angestiegen. „Es mussten dann eben vier Wochen später härtere Maßnahmen durchgeführt werden.“
Es sei nicht schwer auszurechnen, „wo wir in den nächsten vier Wochen hinkommen werden, wenn es uns nicht gelingt, das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu bringen", erklärte Gernot Marx. Dazu dürften auch weitergehende Maßnahmen wie Schließungen von Schulen und Geschäften nicht ausgeschlossen werden.
Neues Infektionsschutzgesetz schließt Lockdown aus
Im neuen Infektionsschutzgesetz, das am Freitag vom Bundesrat genehmigt wurde, werden jedoch flächendecken Schulschließungen, Beherbungsverbote, Ausgangssperren – also Lockdowns explizit ausgeschlossen.
Dafür treten andere Maßnahmen in Kraft. So gilt etwa die 3G-Regelung künftig auch am Arbeitsplatz und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine Testpflicht gilt künftig in Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen für Arbeitgeber, Beschäftigte und Besucher.