Innere Medizin auf dem Weg in die Systemmedizin
Mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Jahr 2001 fing alles an. Seither wird eine stetig zunehmende Zahl von Erkrankungen molekularbiologisch oder – genetisch klassifiziert. Mittlerweile konnte bei vielen der rund 8.000 bekannten genetisch bedingten Erkrankungen die Ursache aufgeklärt werden. Für einen Teil dieser Erkrankungen gibt es bereits wirksame Medikamente. Nach Ansicht von Experten werden neue technische Möglichkeiten des Genome-Engineering diese Entwicklung weiter rasant beschleunigen.
Es sei unstrittig, dass viele Bereiche der Medizin von der molekularen Medizin profitierten, insbesondere die Krebstherapie, bekräftigte Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) Professor Michael Hallek am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Berlin. Der Termin sollte auf den 121. Internistenkongress vom 18. bis 21. April in Mannheim einstimmen, der unter dem Leitthema "Molekulare Prinzipien der Inneren Medizin: Aufbruch in eine neue Ära" steht.
Hallek prophezeit Aufbruch in eine neue Ära
Die Innere Medizin sieht der Krebsexperte vom Universitätsklinikum Köln denn auch am Beginn einer neuen Ära – weg von einer organbezogen Medizin hin zu einer krankheitsübergreifenden Systemmedizin. Dank molekularbiologischer Erkenntnisse weiß man heute nämlich, dass viele Erkrankungen auf ähnlichen pathologischen Mechanismen basieren, auch wenn sie ganz verschieden sind. „Es geht heute nicht mehr darum einzelne Organe anzuschauen, sondern Erkrankungen systembiologisch zu verstehen“, sagte er. Das setze eine enge Kooperation zwischen Ärzten und Grundlagenforschern voraus. Jetzt müssten Wege gefunden werden, den systemmedizinischen Ansatz ans Krankenbett zu bringen. Auch die Ausbildung und Fortbildung von Ärzten müsse sich dieser Entwicklung stellen, meinte Hallek. Insbesondere Internisten werde künftig fundiertes molekularbiologisches Grundwissen abverlangt.
Noch bleibt Krebsmedizin hinter ihren Möglichkeiten zurück
Krebsmediziner brauchen dieses Wissen schon heute, denn auf ihrem Gebiet hat sich in den letzten 15 Jahren besonders viel getan. Bei etwa 30 bis 50 Tumortypen entscheidet inzwischen die molekulargenetische Analyse über eine zielgerichtetete Therapie. Hallek: „Mit dieser Form der personalisierten Therapie treffen Ärzte heute schon Therapieentscheidungen in Abhängigkeit vom molekularbiologischen Befund.“ Allerdings liege die Versorgungsrealität bislang noch weit hinter dem medizinisch Machbaren zurück. „Augenblick fehlen uns die Strukturen, die Vielfalt der Möglichkeiten in die Praxis umzusetzen“, so Hallek. Hier sei auch die Gesellschaft gefragt, inwieweit sei bereit sei, diese Entwicklung zu finanzieren.