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In Deutschland gibt es zu viele Krankenhäuser, sagen Experten

Freitag, 28. Oktober 2016 – Autor:
In Deutschland gibt es zu viele und zu kleine Krankenhäuser. Das verschlechtert die Versorgung der Patienten. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
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Zu viele Kliniken sind zu schlecht ausgestattet, meinen Experten – Foto: DOC RABE Media - Fotolia

Zentrales Problem seien nicht die 2004 eingeführten Fallpauschalen, nach denen die Kliniken pro Behandlungsfall bezahlt werden, sondern die historisch gewachsene Struktur der deutschen Krankenhauslandschaft. Die zeichne sich durch eine Vielzahl von Krankenhäusern und Krankenhausbetten aus, die miteinander um Patienten und finanzielle Mittel konkurrierten. 

Zum einen könnten nicht alle Kliniken den Versorgungstandard der modernen Krankenhausmedizin angemessen erfüllen. Zum anderen könnte sich der Patient in der konkreten Behandlungssituation nicht in jedem Fall darauf verlassen, dass Ärzte die Indikationsstellung ausschließlich am Patientenwohl ausrichten und nicht aus ökonomischen Motiven handeln und die Indikation entsprechend verändern.

Zu viele Krankenhäuser sind zu schlecht ausgestattet

Es gab 2014 in Deutschland 1.646 allgemeine Krankenhäuser, davon 35 Universitätskliniken und 1.371 Plankrankenhäuser. Diese Häuser sind in den Krankenhausplänen der Länder gelistet und haben Anspruch auf steuerfinanzierte Investitionen. Doch selbst von den diesen Kliniken verfügten 359 (26 Prozent) über kein CT (Computertomographie) und 261 (19 Prozent) über keine Intensivbetten, hieß es weiter in dem Papier „Zum Verhältnis von Medizin und Ökonomie im deutschen Gesundheitssystem“.

In diesem Kontext sei es höchst problematisch, wenn Kliniken Eingriffe und Versorgungsleistungen anbieten, in denen sie über keine besondere Ausstattung und/oder Expertise verfügen. Dieses ist etwa der Fall, wenn medizinisch hochkomplexe Transplantationen durchgeführt werden, obwohl es hiervon nur wenige Fälle im Jahr gibt und das medizinische Personal über keine entsprechenden Erfahrungen verfügt.

Dänemark hat Krankenhausreform schon hinter sich

Hätte Deutschland die Krankenhausstruktur von Dänemark - ein Krankenhaus auf 250.000 Einwohner - gäbe es hierzulande nur noch 330 Kliniken, aber alle ausgestattet mit CT, MRT (Magnetresonanztomographie) und Fachärzten für Innere Medizin/Kardiologie, Allgemeinchirurgie, Unfallchirurgie und Anästhesie/ Intensivmedizin, die rund um die Uhr verfügbar sind.

Die dänische Krankenhausstruktur ist das Resultat einer landesweit abgestimmten Reform, die für rund 1.000 Euro pro Kopf der Bevölkerung viele kleinere ältere Krankenhäuser durch wenige neue ersetzt hat. Die in Deutschland überproportional hohe Zahl von oft schlecht ausgestatteten Krankenhäusern trifft hingegen auf rechtliche Rahmenbedingungen, die die Schließung einzelner Häuser fast unmöglich mache. Der Eingriff in vorhandene Krankenhausstrukturen sei politisch unattraktiv. Nicht zuletzt sind eben auch die Krankenhausmitarbeiter betroffen.

Krankenhäuser sind unterfinanziert

Ein weiteres strukturelles Problem betrifft die Unterfinanzierung der Krankenhäuser. Der Investitionsbedarf liegt insgesamt schätzungsweise bei 7 Milliarden Euro pro Jahr, wovon 2014 nur 2,8 Milliarden Milliarden Euro von den Bundesländern zur Verfügung gestellt wurden und eine gleich große Summe von den Krankenhausträgern aufgebracht oder fremdfinanziert wurde.

Acht Thesen "zum Wohle der Patienten"

Die Forscher, zu denen auch der frühere Charité-Vorstand Prof. Detlev Ganten und der Gesundheitsökonom Prof. Reinhard Busse von der TU Berlin gehören, stellten acht „Thesen zur Weiterentwicklung zum Wohle der Patienten und der Gesellschaft auf“.

  • Die Ökonomie hat im Gesundheitssystem die Aufgabe, die Ziele der Medizin und damit eine qualitativ hochwertige Versorgung bei begrenzten Ressourcen zu erreichen.

  • Mehr Geld macht ein System nicht automatisch leistungsfähiger.

  • Überkapazitäten dürfen nicht dazu führen, dass außermedizinische Überlegungen die Indikationsstellung beeinflussen.

  • Eine Weiterentwicklung des Fallpauschalen-Systems allein reicht nicht aus, um die ökonomischen Fehlentwicklungen zu beheben.

  • Qualifiziertes medizinisches Personal ist ausreichend vorhanden, aber auf zu viele Häuser verteilt.

  • Eine angemessene Analyse des  Gesundheitssystems braucht Transparenz und den Zugang zu Informationen.

  • Wettbewerb hat Grenzen, das gilt besonders für ländliche und strukturschwache Regionen.

  • Die Gesundheitsversorgung braucht klare politische Rahmenbedingungen – und die Politik Mut, notwendige Strukturveränderungen anzugehen.

Foto: Doc Rabe/Fotolia.com

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